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Zinspolitik der EZB in der Kritik

2,0-Prozent-Marke wohl bis 2006

Von Marion Trimborn
Frankfurt (dpa). Die Europäische Zentralbank (EZB) steht so stark wie nie zuvor in der Kritik. Immer unverhohlener fordern Politiker und internationale Organisationen die Notenbank zu einer Senkung der Zinsen auf, um die schwächelnde Wirtschaft mit noch günstigeren Krediten anzukurbeln.

Die Mehrheit der zwölf Euro- Finanzminister sei der Meinung, dass sich in der Zinspolitik etwas tun müsse, sagte ihr Vorsitzender Jean-Claude Juncker kürzlich. Auch Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) fordert angesichts der schwachen deutschen Konjunktur nachdrücklich niedrigere Zinsen.
Nach Ansicht der Ökonomen wird die EZB auf ihrer letzten Sitzung vor der Sommerpause am heutigen Donnerstag dem Druck trotzen und die Zinsen nicht verändern. Die Notenbank werde bis ins kommende Jahr den Leitzins auf dem Rekord-Niedrigniveau von 2,0 Prozent belassen, meint die Mehrheit der Analysten.
»Die EZB und der Euro müssen als Sündenbock für eine verfehlte Wirtschaftspolitik herhalten«, sagt der Chefvolkswirt der DekaBank, Ulrich Kater. Die EZB könne nun mal keine individuelle Geldpolitik für einzelne Regionen betreiben. Es sei allen Politikern bei Schaffung der Währungsunion klar gewesen, dass sie sich mit einem gemeinsamen Zinsniveau arrangieren müssten.
Die Geldpolitik gilt als ungeeignet, um Wachstumsdefizite zu korrigieren. Die EZB ermahnt die Politik seit Jahren zu Strukturreformen und haushaltspolitischer Disziplin. Die Reformen blieben aber aus ihrer Sicht weit hinter dem Notwendigen zurück. Viele Euro-Staaten verschulden sich weiter kräftig, weil die niedrigen Zinsen die Schuldenfinanzierung bequem machen. Dabei sind die positiven Folgen einer Zinssenkung umstritten. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag betont: »Wen das aktuelle Zinstief noch nicht zu Investitionen angeregt hat, der wird sich durch eine weitere Leitzinssenkung der EZB kaum zu Investitionen motivieren lassen.« Gegen eine Zinssenkung im Euroraum spricht vieles. Der hohe Ölpreis von knapp 60 Dollar je Barrel (159 Liter) treibt die Inflation an, was ebenfalls für höhere Zinsen spricht.

Artikel vom 07.07.2005