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Leitartikel
G8-Gipfel

Afrika helfen - aber mit Augenmaß


Von Reinhard Brockmann
Die Nagelprobe kommt erst noch. Seit Tagen sprechen die Teilnehmer des G8-Gipfels im schottischen Hochland von der Entschuldung der ärmsten Länder und einer gezielten Hilfe für Afrika.
Die Briten haben sich besonders weit vorgewagt. Die solcherart hoffnungsfroh gestimmte Öffentlichkeit sollte sich nicht täuschen lassen. Nur, was am Ende herauskommt, zählt wirklich.
Immerhin: Auch Bundeskanzler Gerhard Schröder setzt sich für eine vollständige Entlastung der hochverschuldeten und ärmsten Entwicklungsländer ein. 56 Milliarden US-Dollar Forderungsverzicht aller Geberländer zusammen bedeutet, wenn man es richtig anstellt, Hilfe in exakt dieser Höhe. Der Schuldenerlass würde es den Entwicklungsländern ermöglichen, langfristig in Bildung und in soziale Infrastruktur zu investieren.
Zu schön, um wahr zu sein. Sollte der Schritt gelingen, würde die ÊEntschuldungsinitiative von 1999 fortgesetzt. Die damals schon in Köln formulierte Bedingung »gute Regierungsführung« (good governance) bliebe Voraussetzung und Garantie dafür, dass der Schuldenerlass auch wirklich der Überwindung von Hunger und Armut dient.
Deutschland darf ein wenig stolz auf das Geleistete sein: 2003 bezahlte Berlin Ê1,6 Milliarden Euro öffentliche Entwicklungshilfe an das südliche Afrika. Zusätzlich bringt Deutschland über die Weltbank und die Europäische Union eine weitere Milliarde Euro auf. Diese Leistungen kommen zu einem hohen Anteil Afrika zugute. Außerdem hat sich Deutschland zur Erreichung des 0,7-Prozent-Ziels der Vereinten Nationen bis 2015 verpflichtet.
Die in der Afrikanischen Union (AU) versammelten Empfängerstaaten erweisen sich dagegen noch als wenig kooperativ. Bei ihrer jüngsten Sitzung haben sich die Staatschefs - mit Ausnahme von ein paar dürren Worten - nicht mit der Eigenverantwortung und der Regierungsführung als Voraussetzung für nachhaltige Entwicklung auseinander gesetzt, geschweige denn Beschlüsse gefasst. Peinlich: Simbabwes vollkommen abgedrehter Präsident Robert Mugabe, der Krieg gegen die eigene Bevölkerung führt, kam ungeschoren davon. Für Afrikas Fürsprecher in Europa ist das absolut enttäuschend und nährt Zweifel an den Erfolgsaussichten der Afrika-Initiative der G8.
Kurzum: »Weiter so« reicht nicht. Die ebenfalls von den G8 auf Vorschlag der USA entwickelte »Neue Partnerschaft für Entwicklung in Afrika NEPAD« muss fortgeführt werden. Es fehlt ganz offenbar an messbaren Kriterien. Bis heute haben viele afrikanische Herrscher nicht akzeptiert, dass NEPAD etwa bei Menschenrechtsverbrechen im Nachbarland das übliche Wegschauen strikt verbietet. So darf Südafrika sich eben nicht heraushalten, wenn Simbabwe 250 000 Staatsbürger ihrer Behausungen beraubt.
Ganz klar, nicht jedes Land wird entschuldet, aber manches begangene Unrecht dennoch nachträglich gebilligt.

Artikel vom 07.07.2005