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Höhere Mehrwertsteuer kommt

CDU-Chefin will so die Arbeitskosten senken - FDP: Kündigungsschutz lockern

Berlin (dpa/Reuters). Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel hat eindeutiger als je zuvor eine Erhöhung der Mehrwertsteuer nach einem Unions-Wahlsieg in Aussicht gestellt.

Wenige Tage vor der Veröffentlichung des Wahlprogramms stellte sie gegenüber der Wochenzeitung »Die Zeit« die Mehrwertsteuererhöhung in Zusammenhang mit dem Absenken der Arbeitskosten. Sie bezog damit auch gegen die in der CSU vertretene Auffassung Stellung, wonach die Mehreinnahmen vor allem zur Haushaltssanierung eingesetzt werden sollen.
Merkel betonte zwar erneut, dass eine endgültige Entscheidung noch nicht gefallen sei. Sie äußerte aber die Auffassung, dass die Bürger eine Anhebung der Mehrwertsteuer akzeptierten würden, wenn vorher die Lohnnebenkosten gesenkt würden. Für eine Leistung werde der Bürger eine Gegenleistung erbringen, wenn dies der Schaffung von Arbeitsplätzen diene. Konkret stellte Merkel eine »Verlagerung auf indirekte Steuern« zur Entlastung der Arbeitskosten in Aussicht. Auch die Kritiker einer Mehrwertsteuererhöhung in der CDU stellen sich auf eine Erhöhung ein. NRW-Finanzminister Helmut Linssen (CDU) lehnte diesen Schritt nicht grundsätzlich ab. Über eine höhere Mehrwertsteuer könne im Zusammenhang mit einer Senkung der Lohnnebenkosten diskutiert werden, sagte er.
Informationen des Magazins »stern« zufolge soll die Mehrwertsteuer im Juli 2006 oder spätestens im Januar 2007 um zwei Prozentpunkte auf 18 Prozent erhöht werden. Zeitgleich soll der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung um 1,5 Prozentpunkte gesenkt werden. Zum 1. Januar 2007 soll auch die erste Stufe der Einkommensteuerreform in Kraft treten. Die komplizierten gesetzgeberischen Fragen der Gesundheitsprämie sollen bis Ende 2006 gelöst werden, so dass die Umstellung der Krankenversicherung 2007 beginnen kann.
Nach Informationen des stern haben sich die Experten der Union auf folgendes Steuerkonzept geeinigt: Im ersten Schritt wird kein Stufentarif eingeführt, sondern es bleibt bei einem linearen Tarif. Eingangs- und Spitzensteuersatz werden um jeweils drei Prozentpunkte auf zwölf und 39 Prozent abgesenkt. Da es keine spürbare Nettoentlastung geben soll, enthält das Wahlprogramm konkrete Gegenfinanzierungen: Pendler können danach künftig nur noch 25 statt bisher 30 Cent pro Kilometer steuerlich absetzen - bis zu einer Obergrenze von 30 Kilometer. Gestrichen wird die bisherige Steuerfreiheit von Sonn-, Feiertags- und Nachtzuschlägen, allerdings mit einer sechsjährigen Übergangsfrist. Die Eigenheimzulage wird verringert.
Die Union will auch Familien mit Kindern steuerlich stark entlasten. Dazu soll im Zusammenhang mit der angestrebten großen Steuerreform ein Steuerfreibetrag von 8000 Euro pro Familienmitglied eingeführt werden. Damit will sich die Union strikt von dem SPD-Vorschlag eines Elterngeldes abgrenzen, das die Union als nicht finanzierbar ansieht.
Die FDP, möglicher Koalitionspartner der Union nach einem Wahlsieg, will im Falle eines Wahlsieges die paritätische Mitbestimmung abschaffen und durch eine Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat ersetzen. Vize-Parteichef Rainer Brüderle präsentierte gestern wirtschaftliche Kernforderungen der FDP, in dem sich die Liberalen auch für eine Lockerung des Kündigungsschutzes und Tarifabschlüsse auf Betriebsebene aussprechen.
Der Zehn-Punkte-Katalog der FDP sieht auch eine Streichung des »Gewerkschaftsprivilegs« vor: In den Aufsichtsräten sollen nur noch Mitarbeiter des Unternehmens und keine unternehmensfremden Funktionäre Mitglied sein. Betriebsräte sollen erst in Betrieben von 20 Beschäftigen an eingerichtet werden, freigestellte Betriebsräte soll es erst bei Betriebsgrößen ab 500 Mitarbeiter geben. Das Kündigungsschutzgesetz soll erst nach vier Jahren Betriebszugehörigkeit für Betriebe von 50 Mitarbeiter an gelten. Seite 4: Kommentar

Artikel vom 07.07.2005