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Fantasievolle »Schwarzseher«

Ballacks Beine, kostbarer Cup: Fußball-Weltmeisterschaft ist hoch versichert

Von Esther Steinmeier
Bielefeld (WB). Versicherer sind Pessimisten. Sie werden dafür bezahlt, ständig mit dem Schlimmsten zu rechnen. Im Erdenken möglicher großer und kleiner Katastrophen, die über die Fußball-Weltmeisterschaft im kommenden Jahr hereinbrechen könnten, waren die Schwarzseher besonders fantasievoll.
Wenn Michael Ballack gefoult und dabei verletzt wird, muss die Versicherung kräftig zahlen.
Wenn Michael Ballack sich den Knöchel bricht, der Strom im Stadion ausfällt, Randalierer eine Bierbude demolieren, ein Zuschauer auf dem Weg zur Stadiontoilette ausrutscht oder ein Meteroitenschauer die Fernsehübertragung stört, dann muss der freundliche Herr Kaiser zahlen. Als offizieller Versicherer der WM 2006 ist die Hamburg Mannheimer Sports zuständig für eine ganze Reihe der Risiken von A wie Ausfall bis Z wie Zuschauerversicherung.
Es geht um viel Geld: Die erwarteten Einnahmen der beiden WM-Hauptakteure, der Fifa und des Organisationskomitees Deutschland (OK) werden auf 2,5 Milliarden Euro geschätzt. Demgegenüber stehen erhebliche Risiken: 30 Milliarden TV-Zuschauer, 3,2 Millionen Fans in zwölf Stadien, 736 Spieler, die 64 Begegnungen bestreiten werden. Dass unter diesen äußerst dynamischen Faktoren alles reibungslos abläuft ist unwahrscheinlich.
Der Gau heißt bei Versicherern PML (Probable Maximum Loss) und ist der denkbare Höchstschaden. Im Falle der WM wäre das ein Ausfall oder eine zeitliche beziehungsweise örtliche Verlegung des Turniers. 158 Millionen Euro bekäme das nationale Organisationskomitee dafür von der Versicherung. Die Deckungssumme für die Haftpflichtversicherung des Organisationskomitees beträgt 140 Millionen Euro und sichert unter anderem Leib und Leben von Franz Beckenbauer und den drei anderen OK-Präsidiumsmitgliedern, außerdem von 200 Dolmetschern, 250 Hostessen, 300 Mitarbeitern, 736 Spielern, 1000 Fahrern, 12 000 Helfern, 15 000 Journalisten, 16 000 Ehrengästen und schließlich 3,2 Millionen Stadionbesuchern. Für Letztere wurde noch eine spezielle Zuschauerversicherung abgeschlossen, die für Schäden innerhalb der Stadien mit einer Gesamtdeckungssumme von 10 Millionen Euro (10 000 Euro bei Tod, 70 000 Euro bei Invalidität) aufkommt. Eine Zuschauer-Rechtsschutzversicherung springt mit maximal 350 000 Euro ein, wenn Stadionbesucher hinterher vor Gericht ziehen.
Die Fernseh-Ausfallversicherung steht für Schäden durch ausgefallene Werbeeinnahmen ein, wenn im Sender gestreikt wird oder ein Satellit defekt ist. Sogar schlechtes Benehmen ist absicherbar: »Death & Disgrace« (Tod und Blamage) heißt die Police, die einspringt, falls mal wieder ein Kickerstar dem Publikum den »Stinkefinger« zeigt - als Imageträger wäre er dann für Werbekampagnen nicht mehr tauglich.
Ebenfalls ein Risiko ist das, was sich alle Fußballfans erträumen, der Turniersieg der deutschen Mannschaft. Weil dann zum Beispiel höhere Siegprämien an die Spieler ausgezahlt werden müssten, wird zuvor eine »Price-Indemnity-Versicherung« (Gewinn-Schadensersatz) abgeschlossen.
Und zu guter Letzt ist natürlich auch das versichert, worum sich im kommenden Jahr vier Wochen lang alles dreht: der WM-Pokal. 350 000 Euro werden ausgezahlt, falls das gute Stück aus 18-karätigem Gold abhanden kommen sollte. Das ist übrigens schon zweimal passiert: 1966 wurde der Pokal in London gestohlen, tauchte aber kurz danach wieder auf. 1983 verschwand er dann endgültig in Brasilien und es musste ein neuer Cup hergestellt werden. Ein Beleg dafür, dass so manches aberwitzige Szenario, dass pessimistische Versicherer entwerfen, durchaus realistisch ist.

Artikel vom 16.07.2005