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Held oder Unreifer?
Der schwer
Belehrbare
Von Oliver Kreth

Was dem 60-Jährigen das Wunder von Bern ist dem 40-Jährigen das Wunder von Wimbledon: Jeder weiß, wo er es erlebt hat.
An der Deutschen Sporthochschule in Köln verabredete man sich in den Studentenwohnheimen zu gemeinsamen TV-Sitzungen. Für das Finale mit dem roten Baron verzichtete man gar auf die sonst übliche Wochenend-Heimfahrt. Becker wurde bejubelt und beneidet.
Die Folgen waren schon damals absehbar. Nach diesem Triumph wurden selbst BB's Erstrundenspiele aus Hintertupfingen live und in voller Länge im TV gezeigt. Eine Nation stand Kopf. Boris Becker verlor ihn.
Der in die Welt der Erwachsenen Gezwungene trennte sich schnell vom Trainer. Dafür scharrte er Claqueure um sich. Er wollte nur noch hören, was seine Selbsteinschätzung war und wohl noch immer ist: Du bist der Größte, du bist der Beste.
Wirklich besser ging es ihm eigentlich nur, als er mit Axel Meyer-Wölden noch einmal einen starken, ihm auch mal den Kopf waschenden Partner an seiner Seite hatte. Doch nach dessen frühen Tod 1997 brach der BB-Kosmos zusammen.
Trennung von Frau Barbara, Verurteilung wegen Steuerhinterziehung, das gemischte Doppel mit Folgen in der Wäschekammer, Tod des geliebten Vaters. Auch wirtschaftliche Matchbälle verwandelte er nicht viele.
Ist Boris nun ein Held oder doch eher ein Unreifer? Von beidem ein bisschen. Auf jeden Fall schwer belehrbar.

Artikel vom 06.07.2005