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Anstalt folgt
den Gesetzen
des Marktes

Bethel: Gelungenes Jahr 2004

Von Matthias Meyer zur Heyde
Bielefeld (WB). Als »gelungenes Jahr« für Mitarbeiter der von Bodelschwinghschen Anstalten wie für die von ihnen betreuten Menschen hat gestern Pastor Friedrich Schophaus das Jahr 2004 bezeichnet. Bethel müsse allerdings große Herausforderungen bewältigen.

Besonders erfreut zeigte sich der vBA-Vorstandsvorsitzende über das Rekordhoch an Spenden: Mit 19,16 Millionen Euro (2003: 18,02 Millionen) honorieren Bethel-Freunde in aller Welt den erfolgreichen Dienst am Menschen, so dass die Anstalten mittlerweile 20 000 Plätze bzw. Betten anbieten können.
Und obwohl die Lohnkosten stetig steigen, die Bezahlung für geleistete Arbeit jedoch stagniert oder sogar sinkt, lagen die Gesamterträge im Jahr 2004 bei 679,4 Millionen Euro, also 2,4 Prozent über der des Vorjahres. Zum ersten Mal legten die vBA eine konsolidierte Bilanz vor, die den Gepflogenheiten des Kapitalmarktes folgt, indem sie interne Buchungen nicht berücksichtigt.
Die laut übereinstimmender Auskunft der Vorstandsmitglieder hochmotivierten und hochqualifizierten Mitarbeiter sowie die hohe Spendenbereitschaft machten es möglich, einen Gesamtüberschuss von 1,6 Millionen Euro zu erwirtschaften. Die Investitionen beliefen sich auf 45 Millionen Euro, wovon gut zwei Drittel der regionalen Wirtschaft zugute gekommen sei. Der Rest floss in Projekte in Berlin/Brandenburg und im Ruhrgebiet (Hospizbau).
So erfreulich die gestern präsentierten Zahlen auch sein mögen, so verdecken sie doch nicht die schwierige Gesamtsituation. Schophaus nannte zum einen die Schwierigkeit, in einer nachwuchsarmen Gesellschaft künftig genügend junge Bethel-Mitarbeiter zu finden. Zum anderen müsse die Bezahlung von Arbeit auch in der Diakonie grundlegend neu durchdacht werden - stets gemäß der Maxime, dass der arbeitende Mensch von seiner Arbeit leben können muss. Hartz IV markiere lediglich eine halbherzige Reform.
In der Bezahlung der eigenen Mitarbeiter will man neue Wege beschreiten. »Wir wollen weg vom starren Tarifsystem«, kündigte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende Reiner Heekeren an und sprach von leistungs- sowie aufgabenorientierter Entlohnung. In manchen Bereichen (Therapie, Reha) werde sich Bethel branchenüblichen Tarifen angleichen müssen. Die Standardmethode des Outsourcings, nach der Leistungen aus dem Angebotskatalog ausgegliedert und an Fremdfirmen vergeben werden, sei jedoch nur »die allerletzte Möglichkeit, wenn alle anderen Bemühungen scheitern.«
Dass es so weit kommt, hält der Anstaltsvorstand angesichts »verständiger Mitarbeiter« und seines christlichen Selbstverständnisses für unwahrscheinlich. Der Diskurs mit den Mitarbeitervertretungen laufe bereits. Zum 1. Januar 2006 bereits sollen neue Arbeitsverträge möglich sein; die Umstrukturierung lasse sich allerdings nicht auf einen »Stichtag« terminieren.
Pastor Bernward Wolf skizzierte den Umbau der Behindertenbetreuung. Diese bewege sich auf flexiblen Pfaden von der stationären in Richtung individuell wünschenswerter ambulanter Hilfe. Es gelte der Diskriminierung Behinderter einen Riegel vorzuschieben und diese Menschen voll ins Leben zu integrieren.
Dieses Ziel will Bethel nicht zuletzt über die Vermittlung auf Arbeitsplätze in der freien Wirtschaft erreichen. Einen »großen Wurf« oder ein pauschal wirksames Konzept gebe es leider nicht, man schaffe aber in zähem Ringen punktuelle Verbesserungen.

Artikel vom 06.07.2005