06.07.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Der zu frühe Abnabelungsprozess

Becker trennt sich von Bosch schon 18 Monate nach dem »Schicksalstag«

London (dpa). Der Entdecker und Trainer musste nur 18 Monate später gehen: Das 1985 noch unzertrennliche Dreigestirn Becker, Günther Bosch, Ion Tiriac zerfiel schon ein halbes Jahr nach dem zweiten Triumph.

Doch während der Name Bosch stets Beckers erste Siege in London assoziiert, ist Tiriac schon vor dem Ende der Zusammenarbeit seinen Weg zum Multi-Unternehmer weiter gegangen. Beckers Manager und Mentor blieb er bis 1993. Die abrupte Art der Trennung traf auch den schnauzbärtigen Rumänen tief. Das Image des kühlen, geldgierigen Geschäftemachers haftete ihm stets an.
Auch von der einst engen Beziehung zwischen Bosch und Becker ist wenig geblieben. »Er hat zu mir ein gespaltenes Verhältnis. Guten Tag, wie geht's, alles klar? Mehr ist es nicht«, so Bosch jüngst. Trauer darüber empfindet er aber »eigentlich nicht«. Der 68-Jährige nimmt sich öffentlich zurück, wenn es um seinen Anteil am Werdegang des fast 30 Jahre jüngeren Becker geht: »Ich habe immer für meine Vorstellungen gekämpft. Aber geleistet hat dies alles er, und deshalb gebührt ihm auch der Erfolg.« Bis heute ist Bosch ebenso wie Becker die Bestätigung des Wimbledon-Sieges 1986 wichtiger und bedeutender als der Sieg ein Jahr zuvor.
Dass nach dem dritten Erfolg 1989 kein weiterer mehr in Wimbledon gelang, erklärt Bosch auch mit dem emotionalen Verschleiß: »Er hat sich geistig so reingehängt, dass dies einen ungeheuren Verbrauch an Kapazitäten mit sich gebracht hat. Eine solche Hingabe, ein solches Leiden, das können Sie bei einem Spieler wie Federer nicht sehen. Sich körperlich und seelisch so zu engagieren, das gab es bis zum damaligen Zeitpunkt nicht.«
Doch Bosch und Tiriac halten ihrem einstigen Schützling vor, dass er die Weltspitze nicht länger dominiert und weitere Wimbledon-Siege verpasst hat. Bei der Trennung Anfang 1987 sei der damals 18-jährige Becker kein fertiger Spieler gewesen. Zudem müsse er der Jugend mehr vermitteln, mit welchen Opfern die Erfolge verbunden gewesen seien: »Vielleicht glauben deshalb viele, was Boris geschafft hat, das können sie auch. Und keiner weiß, wie schwer das ist.«
Bosch hatte Becker einst dem inzwischen 66-jährigen Tiriac vorgestellt. Beide stammen aus dem rumänischen Brasov, zu deutsch Kronstadt. Der frühere French-Open-Sieger im Doppel und Olympia- Teilnehmer im Eishockey bekannte in der Autobiografie seines früheren Schützlings: »Boris Becker hatte absoluten Vorrang in meinem Leben, er war wichtiger als meine Familie.« Doch Tiriac fügte auch hinzu: »Ich habe schon existiert, bevor es Boris Becker gab, und ich existiere heute auch ohne ihn.«

Artikel vom 06.07.2005