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»Der Sieger
wird das IOC«

Olympia-Vergabe 2012 in Singapur

Singapur (dpa). Eine solch Aufsehen erregende Wahl hat es in der 111-jährigen Geschichte des Internationalen Olympischen Komitees noch nicht gegeben. Gegen 13.45 Uhr MESZ wird IOC-Präsident Jacques Rogge heute im Ballsaal des Convention Centers von Singapur weltweit einem Milliarden-Publikum vor den Fernsehschirmen verkünden, welche Stadt 2012 die XXX. Olympischen Spiele ausrichten darf.

In das Fünfkampf-Finale der Weltmetropolen zieht Paris als Favorit ein. Doch London, Madrid und New York rechnen sich gleichfalls gute Chancen aus. Moskau gilt als krasser Außenseiter und machte dafür gestern westliche Medien verantwortlich.
»Nie zuvor hat es einen Wettbewerb mit solchen Qualitätsstädten gegeben. Alle können hervorragende Spiele ausrichten. Ich bin davon überzeugt: Es wird ein ganz knapper Wettbewerb. Und jetzt steht schon fest: Der Sieger wird auf jeden Fall das IOC sein.«
Mit dieser Einschätzung geht Rogge in die entscheidende Vollversammlung, bei der in der ersten Abstimmungsrunde voraussichtlich 99 IOC-Mitglieder votieren werden. Wahrscheinlich sind vier Wahlgänge, nur im letzten Durchgang reicht die einfache Mehrheit zum Sieg. Auf der Strecke bleiben jeweils die Städte mit den wenigsten Voten.
Eine herausragende Bedeutung erhält die Wahl auch durch die in Singapur eingeflogene politische Prominenz. Bei der jeweils 45- minütigen Präsentation der Städte am Mittwoch vor der Wahl werden Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac, die Ministerpräsidenten Jose Luis Rodriguez Zapatero (Spanien) und Michael Fradkow (Russland) sowie New Yorks Senatorin Hillary Clinton für ihre Städte werben. Der bereits am Sonntag eingetroffene Tony Blair war dann schon auf dem Rückflug. Als Gastgeber des G8-Gipfels muss der britische Premier rechtzeitig in Gleneagles sein.
Die Prominenz des Hochadels wird von Spaniens Königin Sofia angeführt, aus Hunderten von Sportstars ragt die von Krankheit gezeichnete Box-Legende Muhammad Ali heraus. Er soll bei New Yorks Vorstellung »als Geheimwaffe«, so Bewerbungs-Chef Dan Doctoroff, für den emotionalen Höhepunkt sorgen. Bei einem Fototermin war »der Größte« gestern jedoch kaum sprechfähig.
»Mehr denn je kommt es auf die letzten Tage an, besonders auf die Präsentation«, meint nicht nur das deutsche Mitglied Thomas Bach. So viele IOC-Mitglieder wie nie seien noch unentschlossen. Bei der großen Qualität aller Bewerber könnten Fehler oder ein besonders eindrucksvoller Auftritt noch für Bewegungen sorgen. Fest steht nur, dass heute keine Stimmung, sondern nur noch Stimmen zählen werden.
Paris glaubt sich einer Mehrheit sicher, »auch wenn die Briten in den letzten Tagen den Eindruck erweckten, als seien sie ganz nahe dran an uns«, wie ein Mitglied des französischen Bewerbungskomitees erklärte. Paris hat zuletzt 1924 Olympische Spiele ausgerichtet, London 1948, Spanien mit Barcelona 1992, die USA mit Atlanta 1996. Moskau war 1980 an der Reihe.
Für die Franzosen ist es undenkbar, dass sie zum dritten Mal nach 1992 und 2008 abgewiesen werden. Und dies, nachdem ihnen die IOC-Prüfer die Bestnote für die technischen Voraussetzungen gegeben haben. Das geschah so eindeutig, dass nicht nur die Konkurrenz die Handschrift von Rogge zu erkennen glaubt.

Artikel vom 06.07.2005