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Volkswagen-Konzern steht am Scheideweg

»Firmengeflecht« um Schuster - Wirtschaftsprüfer eingesetzt

Wolfsburg (dpa). »Wir stehen am Scheideweg.« Mit diesen Worten stimmte VW-Markenvorstand Wolfgang Bernhard gestern die Belegschaft auf die kommenden Jahre der Sanierung ein.
VW-Markenvorstand Wolfgang Bernhard.

Nach einem Bericht der »Süddeutschen Zeitung« sollen VW-Mitarbeiter um Ex-Skoda-Personalchef Helmuth Schuster für Geschäfte mit dem Wolfsburger Konzern ein Geflecht von sechs weltweit operierenden »Tarnfirmen« entwickelt haben. Die Holding dieser Unternehmen, eine Firma namens Impesa S.A., sitze im schweizerischen Neuchâtel.
Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Braunschweig hatte gestern gesagt, ein »Firmengeflecht« um Schuster könnte eine zentrale Rolle in der VW-Affäre spielen. Es bestehe der Verdacht, dass Gelder, die VW beziehungsweise Skoda zugestanden hätten, auf Konten der Firmen und auf Privatkonten gelandet seien.
Laut Zeitung soll Schuster Anfang 2001 gemeinsam mit anderen VW-Mitarbeitern wie dem zuvor überraschend zurückgetretenen Betriebsratschef Klaus Volkert die Idee entwickelt haben, Firmen zu gründen, die sich um Aufträge bei VW oder bei Tochterunternehmen bemühten. Danach setzte sich das Geflecht aus Tarnfirmen in Indien, Angola, Tschechien, Luxemburg und der Schweiz zusammen. Allein in Indien soll Schuster drei Millionen Euro kassiert haben, weil er einer Provinzregierung angeblich die Errichtung eines VW-Werkes versprochen haben soll.
Damit könnte das Beziehungsgeflecht zwischen Betriebsrat, Gewerkschaften, Management und Politik bei VW vor einer Neuordnung stehen. Nach den Korruptionsvorwürfen gegen Schuster und dem Rücktritt Volkerts gerät zudem der starke Einfluss der Gewerkschaften bei VW ins Wanken. Immer häufiger fällt dabei auch der Name von Personalvorstand Peter Hartz. Die drei Männer hatten in den 90-er Jahren eng zusammengearbeitet. Schuster war von 1994 bis 2000 Leiter des Zentralen Personalwesens bei Volkswagen. Er war damit der zweite Mann nach Hartz.
Einen von der Staatsanwaltschaft bestätigten Verdacht von Betrug und Untreue gibt es jedoch allein im Fall Schuster sowie bei einem seiner Mitarbeiter.
In Wolfsburg rückten gestern die Wirtschaftsprüfer ein. Konzernchef Bernd Pischetsrieder hatte die Prüfgesellschaft KPMG mit der unabhängigen Prüfung aller Hintergründe beauftragt. Am Wochenende war Pischetsrieder auch zu einem Gespräch mit CDU-Ministerpräsident und VW-Aufsichtsrat Christian Wulff zusammengekommen. Das Land, das zugleich größter Anteilseigner bei VW ist, unterstütze das Bemühen des Vorstandes um eine lückenlose Aufklärung, hieß es in der Staatskanzlei in Hannover.
Wulff hatte Sonntag über eine mögliche Verwicklung von Hartz in die Affäre betont, es gebe auch für Hartz und andere keinen »Persilschein«.

Artikel vom 05.07.2005