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Der Metropolen-Kampf
um die Spiele 2012

Streit zwischen Paris und London eskaliert

Singapur (dpa). Vor der Wahl der Olympia-Stadt 2012 hat sich in Singapur die Hochspannung zwischen den beiden europäischen Metropolen Paris und London in einem offenen Streit entladen.

Die französische Hauptstadt ist empört darüber, dass der britische Rivale die Qualität des Stade de France öffentlich in Zweifel gezogen hat. Jacques Rogge versuchte gestern die Affäre herunterzuspielen. »Ich ignoriere das.« Es liege kein Regelverstoß vor. »Wir haben keine Beschwerde bekommen«, sagte der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) zum Abschluss der zweitägigen Sitzung des Exekutivkomitees. Bisher hatte Rogge die Kandidaten vor Kritik stets gewarnt.
Der Belgier wird morgen gegen 13.45 Uhr die Siegerstadt für die Spiele 2012 verkünden. Erwartet wird ein Zweikampf zwischen dem Favoriten Paris und seinem Herausforderer London, in den vielleicht noch Madrid eingreifen könnte. New York und vor allem Moskau gelten als Anwärter für das Ausscheiden in den ersten zwei Wahlrunden der 117. IOC-Vollversammlung, die heute eröffnet wird. Dazu wird dann auch der französische Staatspräsident Jacques Chirac erwartet, der sich mit seinem Englands Premier Tony Blair ein olympisches Duell liefern wird.
Zum Ausbruch kam die Auseinandersetzung durch Äußerungen zweier Mitarbeiter des Londoner Bewerbungskomitees, die die Eignung des Stade de France als Olympiastadion bezweifelten. Das Stadion sei »wunderbar für Rugby, doch unglücklicherweise gehört Rugby nicht zum olympischen Programm«, hatte Rod Shead gesagt. Zwar beeilte sich London-Sprecher Mike Lee zu sagen, die Beiden »können nicht für unsere Bewerbung sprechen«. Doch die Kritik gelangte wie ein Lauffeuer zur Paris-Abordnung und entfachte dort Empörung. Die Reaktion klang bei Bürgermeister Bertrand Delanoe so: »Es ist nicht unsere Sache, die Regeln zu interpretieren. Das ist Sache des IOC. Wir werden bis zum Schluss die Fair-Play-Regeln respektieren.« Keineswegs werde sich seine Stadt an einem Krieg der Worte beteiligen.
Zur Sache sagte der französische Sportminister Jean-Francois Lamour: »Als das Stade de France gebaut wurde, war es seiner Zeit 20 Jahre voraus.« Die weltweit gelobte Arena habe immerhin ihre Bewährungsprobe bei der Fußball-WM 1998 und bei der Leichtathletik-WM 2003 bestanden. Offenbar könne es London nicht verkraften, dass Paris schon habe, was die britische Hauptstadt noch bauen müsse, sagte ein Mitglied des Bewerbungskomitees. London bewirbt sich mit einer 80 000 Zuschauer fassenden Arena im Osten der Stadt speziell für Leichtathletik. Rogge verwies auf den Prüfbericht der IOC-Evaluierungskommission. Er bewertet das Stade de France als wichtigen Baustein für die Paris-Bewerbung.
London tritt in Singapur als ein offensiver Bewerber auf, der beim »Heimspiel« in seiner ehemaligen Kronkolonie versucht, den Rückstand auf Paris wett zu machen. In der ersten Bewerbungsphase hatte sich Blair eine Gelbe Karte von Rogge eingehandelt, nachdem der Premier bei einem Treffen der Commonwealth-Länder in Afrika um die Unterstützung der London-Bewerbung ersucht hatte.
New York muss noch bis heute warten, bis es offiziell Grünes Licht vom IOC bekommt. Dann wird aller Voraussicht nach der nachgelieferte Bau des Olympiastadions in Queens sanktioniert, nachdem die im offiziellen Prüfbericht aufgeführte Arena an der West Side Manhattans am politischen Widerstand gescheitert war. Als gewichtigste politische Stimmenfängerin wird Senatorin Hillary Clinton einfliegen

Artikel vom 05.07.2005