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Das rollende Klassenzimmer

Circus Krone: Sechs junge Leute leben und lernen im Wohnwagen

Von Malte Samtenschnieder
Bielefeld (WB). »Wenn ich groß bin, möchte ich Clown werden.« Seit Tonito denken kann, träumt er davon, eines Tages als Star in der Manege zu stehen. Wie sein Vater, der zurzeit beim Circus Krone engagiert ist. JUGENDSTIL sprach mit dem 13-Jährigen über sein Leben als »Zirkuskind«.

Tonito ist ein ganz normaler Teenager. Er geht gerne ins Kino und trifft sich regelmäßig mit Freunden zum Fußballspielen oder Pizzaessen. Das ist aber fast schon alles, was den 13-Jährigen mit Gleichaltrigen verbindet. Ein »festes Zuhause« im herkömmlichen Sinne kennt der Junge nicht. Als »Zirkuskind« ist er vielmehr an das Leben im Wohnwagen gewöhnt und nahezu jede Woche für wenige Tage in einer anderen Stadt »daheim«.
Eine reguläre Schule kann der Siebtklässler wegen der Tournee-Reisen des Zirkus quer durch Europa ebenfalls nicht besuchen. Stattdessen bekommt er Unterricht in der Circus Krone eigenen Schule. Dort drückt er gemeinsam mit Tyrone und Arseni (beide sieben Jahre), Tsvetomira (acht), Andrej (zwölf) sowie Dimislava (14) die Schulbank.
Obwohl die Kinder unterschiedlich alt sind, werden sie von Lehrerin Monika Berger gemeinsam betreut. »Unsere Aufgaben sind aber natürlich individuell verschieden«, erklärt Tonito. Während der Schwerpunkt im Unterricht auf Rechnen, Schreiben und Lesen liege, gebe es hin und wieder auch besondere Projekte. »Im Sportunterricht haben wir vor einiger Zeit Tanzen gelernt. In Biologie dagegen haben wir die Entwicklung einer Kaulquappe zum Frosch verfolgt und diesen anschließend seziert.«
Traurig ist Tonito, dass er jeden Tag nur drei Stunden Unterricht hat. »Das könnte ruhig mehr sein«, stimmen ihm auch seine Mitschüler zu. Doch weiter kann das Zirkusmanagement das Curriculum der staatlich anerkannten privaten Grund- und Hauptschule nicht ausdehnen.
Während für Tonito feststeht, dass er als Erwachsener beim Zirkus bleiben will, ist seine Mitschülerin Dimislava skeptisch: »Manchmal träume ich von einem ganz normalen Leben ohne Zirkus.«
Besonders zu schaffen macht der 14-Jährigen, dass sie neue Freunde, die sie in den einzelnen Städten gewinnt, schon nach wenigen Tagen zurücklassen muss, wenn der Zirkus weiterzieht.
Tonito nimmt das gelassen. Per SMS und E-Mail ist der junge Charmeur mit Verehrerinnen in ganz Deutschland in Kontakt. Außerdem weist der 13-Jährige auf einen großen Vorteil des Circus Krone hin: »Hier gibt es im Vergleich zu anderen Zirkussen besonders viele Kinder, mit denen man etwas unternehmen kann. Auch kommen wir alle gut miteinander aus.«

Artikel vom 14.07.2005