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Mit Hilfe anderer
Grenzen überwinden

Sportunterricht in der Mamre-Patmos-Schule


Von Melanie Beyster
Bielefeld (WB). Ein leises Rauschen erfüllt den Raum. Die Kinder der ersten und zweiten Klasse sitzen gehorsam nebeneinander auf der Bank am Rand der Sporthalle und sehen gebannt zu, wie vor ihren Augen das große Luftkissen aufgepumpt wird. Die Übungen sind ihnen bereits wohlbekannt. Einige freuen sich schon auf die Sportstunde, anderen ist jedoch bei dem Gedanken daran, keinen festen Boden unter den Füßen zu spüren, eher mulmig.
Die Mamre-Patmos-Schule in Bethel wird von Kindern mit geistigen und körperlichen Behinderungen sowie von schwerst-mehrfach behinderten Kindern besucht. Viele von ihnen werden einzeln betreut, so dass sich zusammen mit den 15 Kindern auch fünf Betreuer in der Sporthalle befinden. Zwei Kinder sitzen im Rollstuhl - das ist jedoch kein Grund, nicht am Sportunterricht teilzunehmen. Jeder darf hier gemäß seinen Fähigkeiten Sport treiben. »Wir fragen nicht nach dem, was ein Kind nicht kann, sondern nach seinen Stärken«, erklärt Klaus-Hermann Bunte, Sport- und Sonderschullehrer an der Mamre-Patmos-Schule. »Da wir eine sehr heterogene Schülerschaft haben, muss im Unterricht sehr kindorientiert gearbeitet werden, so dass individuelle Bedürfnisse befriedigt werden können« fügt er hinzu.
Viele Kinder mit Behinderungen werden zu Hause überbehütet. Sie spielen nicht so selbstverständlich draußen wie die Kinder aus ihrer Nachbarschaft. Daher durchlebten sie viele Entwicklungsphasen gar nicht. »Im Sportunterricht versuchen wir diese Phasen erneut nachzuvollziehen, um die Kinder an Bewegungsabläufe zu gewöhnen, die für uns selbstverständlich sind«, erklärt Bunte. »Wir laufen, gehen und rollen mit den Kindern. Wir helfen ihnen, rückwärts zu gehen, Bälle zu werfen und aufzufangen, wir schaukeln und schwingen mit ihnen.« Bewegung hat für diese Kinder elementare Bedeutung, denn alles Lernen fängt mit Bewegung an.
An einer Schule für Kinder mit Behinderungen ist das Vertrauen zu den Lehrern ganz besonders wichtig. »Die Kinder stoßen beizeiten an Grenzen, die sie nicht überwinden könnten, wenn ihnen keine vertraute Person helfen würde«, erklärt Bunte. »Daher trägt die Lehrkraft besondere Verantwortung.«
Obwohl vieles an einer Schule für geistig und körperlich behinderte Kinder anders ist als an einer normalen Schule, sind auch erstaunlich viele Dinge gleich. »Kinder erleben Erfolg im Sport genauso wie alle anderen und freuen sich auf Bewegung wie alle anderen«, versichert Bunte. Gerne unterstützt die Mamre-Patmos-Schule deshalb Sportfeste der unterschiedlichsten Art - wie die Bethel Athletics, die in diesem Jahr bereits zum neunten Mal stattfanden. Weil Bewegung an dieser Schule Prinzip ist, kooperiert sie mit dem Golfclub Bielefeld. Einige Kinder können im Rahmen einer Golf-AG unter fachkundiger Anleitung auf der Driving-Range ihre Golfkenntnisse vertiefen.
Nach einer bewegungsintensiven Sportstunde versammeln sich nun erneut alle Kinder auf der Bank am Rand der Sporthalle. Sportlehrer Klaus-Hermann Bunte verschwindet für einen Augenblick im Geräteraum, um dann mit einer Gitarre und einem Zettel zurückzukommen. »Bewegung ist Rhythmus«, bemerkt er und beendet die Sportstunde mit einem beschwingten »Bewegungslied«.

Artikel vom 06.07.2005