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Gedenken an das Elend
auf den Rheinwiesen

Wilhelm Oermann im ehemaligen Gefangenenlager

Von Matthias Meyer zur Heyde
Bielefeld (WB). 60 Jahre nachdem er fast an der Amöbenruhr gestorben wäre, ist Wilhelm Oermann (76) an die Stätte unglückseliger Erinnerungen zurückgekehrt: 450 ehemalige Kriegsgefangene auf den Rheinwiesen bei Remagen trafen sich dort zum Gedenken.

Mit den (auch verfilmten) Kämpfen im März 1945, in deren Folge die Eisenbahnbrücke bei Remagen den US-Streitkräften unzerstört in die Hände fiel, hatten die Teilnehmer des Treffens nichts zu tun. »Wir gehörten zu den 185 000 Kriegsgefangenen, die auf 850 mal 3000 Metern von April bis zum 11. Juli eingepfercht wurden«, erklärt Oermann.
Auf dem südlich des linksrheinisch gelegenen Ortskerns von Remagen starben 1213 Deutsche infolge der katastrophalen hygienischen Verhältnisse und der unzureichenden Verpflegung. »Wir erhielten das ungefähre Äquivalent der Eisernen Ration der US-Armee: 6 Kekse, 11/2 Esslöffel [EL] Fleisch, 2 EL Tomatenbrei, 1/4 EL Fleisch mit Erbsen, 2 EL Pulverkaffee, 1 EL Limonadenpulver, 15 Rosinen, 5 Trockenpflaumen und 2 rohe Kartoffeln«, erinnert sich Oermann.
Auf dem Friedhof im benachbarten Bad Bodendorf, wo die Toten des Lagers zur Ruhe gebettet sind, legten die Überlebenden einen Kranz nieder. Veranstalter des Treffens war das »Friedensmuseum Brücke von Remagen«; tatsächlich existiert in den Basaltpfeilern der noch 1945 eingestürzten Brücke ein Museum, in dem sowohl die Kämpfe als auch die Todeslager dokumentiert sind.
Oermann lag damals - unter freiem Himmel -Ê ungefähr an der Stelle, an der die Ahrtalbahn von der Bahnlinie Köln-Koblenz abzweigt, nördlich des Ortsteils Kipp. »Die Stelle ist heute überbaut und nicht mehr zugänglich«, sagt Oermann, der sich an der Erpeler Ley orientierte, einem (rechtsrheinischen) Felsmassiv, das von überall im Lager gesehen werden konnte. Das Gelände übrigens wurde, lange bevor es als Lager herhalten musste, »Goldene Meile« genannt - wegen des Untergrundes aus fruchtbarem Löß.
Wilhelm Oermann, den WESTFALEN-BLATT-Leser aus unserer Serie zum Kriegsende kennen, war als Luftwaffenhelfer bereits aus der Wehrmacht entlassen worden, als er am 16. April in US-Gefangenschaft geriet. Am 10. Juni an die Engländer übergeben, die ihn drei Tage später entließen, langte der 16-Jährige am 14. Juni wieder zu Hause in Bielefeld an. »Manche Gefangenen jedoch wurden nach dem 11. Juli den Franzosen überstellt - sie kehrten erst 1948 heim«, sagt Oermann.
Beim Treffen in Remagen, dem 10. seiner Art, trat die Einstellung gegenüber den Amerikanern offen zutage: »Wir fühlen keinen Hass«, versichert Oermann. »Im Vordergrund steht für uns die Hilfe der USA beim Aufbau von Wirtschaft und Demokratie.« Sein Credo: »Wir waren weniger Leidtragende der Siegerwillkür, sondern eher Opfer von Hitlers Wahnsinn.«

Artikel vom 14.07.2005