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Von Michael Schläger

Bielefelder
Optik

Vertrauensfrage


Ja, es war ein historischer Augenblick am Donnerstag im Rat. Gemeinsam wollen die vier Fraktionen von CDU, SPD, Grünen und Bürgergemeinschaft den Weg aus der wohl größten Finanzkrise finden, die Bielefeld seit dem Kriegsende erlebt. Wann hat es eine solche große Koalition zum Wohle der Stadt schon einmal gegeben?
Nein, Bielefelds Ratspolitiker haben die Chance nicht genutzt, dies in angemessener Weise zu dokumentieren. Sie behandelten die Etatdebatte und den daraus resultierenden gemeinsamen Antrag wie die Entscheidung über die 7. Änderung irgendeines Bebauungsplanes. Oft verhallten die Reden vor halb leeren Bänken. Mancher zog einen Plausch mit den Kollegen in der Lobby der Rhetorik vor. Oder kontrollierte den SMS-Eingang am Handy. Oder las in der Zeitung.
Vielleicht übertüncht diese Lässigkeit auch nur die Angst vor der eigenen Courage. Die grüne Fraktionschefin Inge Schulze jedenfalls hat Recht, wenn sie sagt, ein Zurück gebe es eigentlich nicht mehr, wolle sich die gesamte politische Klasse in Bielefeld nicht maßlos blamieren. Dabei ist das Zeitfenster klein. Noch in diesem Jahr wollen Politik und Verwaltung einen Etatentwurf präsentieren, der den Weg aus dem Nothaushaltsrecht ebnet und der Stadt die Verantwortung für das eigene Handeln zurückgibt.
Wie das erreicht werden soll, ist allerdings noch weitgehend offen. Der gemeinsame Antrag der vier Fraktionen enthält bisher nur eine konkrete Forderung: Ein Viertel der Personalkosten, die durch die natürliche Fluktuation in der Stadtverwaltung zunächst entfallen, sollen auch dauerhaft eingespart werden.
In den »Perspektiven 2009«, die Oberbürgermeister Eberhard David und seine Dezernenten für die Verwaltung entwickelten, mögen viele gute Ansätze stecken, doch manche drohen (mal wieder) im Keim zu ersticken. Siehe die Reform der Bezirksämter.
In Berlin hat der Bundeskanzler gestern die Vertrauensfrage gestellt, um den Weg für Neuwahlen zu ebnen. In Bielefeld ist es auch eine Frage des Vertrauens der Bürger in die Kommunalpolitik, was Rat und Verwaltung aus ihren hehren Zielen machen. Dabei geht es nicht nur darum, aus den roten Zahlen herauszukommen, sondern auch um die Aussichten für die Stadtentwicklung in Zeiten jenseits der Krise.

Artikel vom 02.07.2005