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Hausärzte leiden
unter Hartz IV

Kranke werden umsonst behandelt

Von Ernst-Wilhelm Pape
Münster (WB). Die 120 000 niedergelassenen Ärzte in Deutschland leiden unter Nebenwirkungen der Hartz-IV-Reform. Die Mediziner müssen nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) in ihren Praxen im Jahr jetzt mehr als eine Million Menschen kostenlos behandeln.
Dr. Ulrich Thamer: »Das ist staatliches Raubrittertum.«

Es handelt sich um Patienten, die aus der Arbeitslosenversicherung herausfallen und deshalb nicht mehr selbst bei einer gesetzlichen Krankenkassen als Mitglieder versichert sind. Somit zahlt die Bundesagentur für Arbeit keine Krankenkassenbeiträge mehr. Ihren Krankenversicherungsschutz erhalten die Betroffenen über die kostenfreie Mitversicherung als Familienangehöriger. Die Krankenkassen zahlen aber nur eine Kopfpauschale pro Mitglied. Die Zahl der Familienmitglieder wird dabei nicht berücksichtigt. KBV-Sprecher Roland Stahl: »Den Hausärzten gehen jetzt mehr als 300 Millionen Euro an Honoraren verloren, da die Kassen für die Behandlung der Familienmitglieder nicht zusätzlich bezahlen. Mit diesem Geld subventionieren die Ärzte die staatliche Arbeitslosenversicherung. Dies ist eine dreiste Umverteilung der Sozialkosten, die eigentlich von der Bundesagentur für Arbeit zu tragen sind.«
Die finanzielle Decke für Hausärzte sei ohnehin dünn. Aufgrund der gedeckelten Honorare würden von den Ärzten schon jetzt ein Drittel aller Patienten umsonst behandelt. Jetzt komme noch der Hartz-IV-Aspekt hinzu.
Allein in Nordrhein-Westfalen müssen 120 000 Menschen nunmehr kostenlos von den Hausärzten behandelt werden. Dadurch gingen den Medizinern 25 Millionen Euro Honorar verloren. Dr. Ulrich Thamer, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (Münster): »Die Betroffenen sind nach wie vor versichert und bekommen in jeder Praxis ihre notwendige Leistungen. Wir Ärzte aber erhalten für unsere gleich gebliebene Arbeit deutlicher weniger Geld.« Diese Gerechtigkeitslücke müsse geschlossen werden.
Was jetzt mit dem erarbeiteten und verdienten Geld der Hausärzte geschehe, sei staatliches Raubrittertum. Der Staat könne den Ärzten ungehemmt in die Kasse greifen. Diese wirtschaftlichen Risiken würden zu einem Ausbluten der ambulanten ärztlichen Versorgung führen, sagte Thamer. Unter solchen Umständen würden immer weniger Ärzte eine Praxis übernehmen.

Artikel vom 02.07.2005