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Die Heimkehr des Wolfes
Im Nationalpark Bayerischer Wald lässt sich der »Isegrimm« wieder nieder
Es war ein Sommertag im Jahr 1882: Bei einer Treibjagd im Oberpfälzer Fichtelgebirge wurde der letzte Wolf Bayerns niedergestreckt. Bereits zuvor hatten die Menschen den Luchsen den Garaus gemacht.
Gut 100 Jahre später sind die Tiere auf leisen Pfoten zurückgekehrt. Nachdem sich die Wildkatzen ihre alten Reviere schon zurückerobert haben, kommen jetzt auch immer öfter Wölfe aus Osteuropa in den Freistaat. Experten halten es für denkbar, dass es bald ein erstes Wolfsrudel im Bayerischen Wald gibt. Selbst die Rückkehr von Bären ist möglich.
Bis zum Fall des Eisernen Vorhangs kam der Wolf nach dem finalen Schuss von 1882 schließlich allenfalls in bayerischen Zoos vor. Doch seitdem Drahtverhau und Minenfelder geräumt sind, haben immer wieder einzelne »Isegrimms« aus den westlichen Karpaten den Weg ins östliche Bayern gefunden. Zwar werden die scheuen Tiere selten gesehen. Aber am Lusen, einem Berg im Nationalpark Bayerischer Wald, wurden im Winter Wolfsfährten im Schnee entdeckt.
Bisher seien dies nur einzelne Vorposten gewesen, Auskundschafter neuer Lebensräume, sagt der Leiter des Nationalparks, Karl Friedrich Sinner. Mittlerweile gehen die Fachleute jedoch davon aus, dass sich zwei bis drei Wölfe im grenzüberschreitenden Nationalpark, der auf der tschechischen Seite Sumava heißt, aufhalten. »Wenn darunter eine Wölfin und ein Wolf sind, dann kann es natürlich jederzeit Nachwuchs geben«, erklärt Sinner. »Dann hätten wir das erste Rudel.« In diesem Fall würden die Tiere sesshaft werden und bleiben.
Sinner und seine Kollegen wissen, dass kaum ein anderes Tier in der Bevölkerung so viele Emotionen weckt wie der Wolf. Das Märchen vom bösen Wolf ist fest in den Köpfen. Deshalb sitzen Tierschützer und Behörden jetzt an einem runden Tisch, um ein Wolfsnetzwerk aufzubauen, das die Bürger informiert und einbezieht. Auch ein Entschädigungsfonds soll eingerichtet werden - falls Wölfe tatsächlich einmal Hühner oder Schafe reißen sollten.
Ein ähnliches System gibt es bereits für die Ansiedlung der Luchse. Mittlerweile sind die Großkatzen wieder regelmäßig auf der Pirsch, etwa 20 bis 30 erwachsene Tiere leben zwischen Oberfranken und Niederbayern. Seit einigen Jahren läuft ein Projekt von bayerischen und tschechischen Forschern. Auf beiden Seiten der Grenze wurden »Pinselohren« gefangen und mit Sendern versehen, um ihren Lebensraum erkunden zu können. »Die Tiere haben einen gewaltigen Raumanspruch«, weiß Luchsexperte Manfred Wölfl. Das Wohngebiet eines Luchses betrage etwa 300 Quadratkilometer.
Selbst Braunbären stehen inzwischen wieder vor den Toren Bayerns. »Sie haben sich in einer von niemand erwarteten Art und Weise in Österreich etabliert«, erklärt Nationalparkchef Sinner. Es gebe Hinweise, dass die Pelztiere schon im Donauraum zwischen Linz und Passau unterwegs sind. »Die Entfernung von der Donau bis in unser Grenzgebirge ist für einen Bären ein ganz kurzer Weg«, erklärt er. Mit den weiten unberührten Naturzonen seien Bayerwald und Böhmerwald für die Bären ein idealer Lebensraum.

Artikel vom 16.07.2005