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»Unechtes Verfahren«: Werner Schulz (Grüne).

»Ein Tiefpunkt der
demokratischen Kultur«

Werner Schulz (Grüne) schärfster Kritiker

Berlin (dpa). Der Grünen-Abgeordnete Werner Schulz hat am Freitag im Bundestag eine persönliche Erklärung zur Vertrauensfrage von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) abgegeben. Auch andere Abgeordnete haben Bedenken gegen das Vorgehen Schröders.

Schulz, der eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gegen mögliche Neuwahlen angekündigt hat, sagte unter anderem: »Was hier abläuft, ist ein inszeniertes, ein absurdes Geschehen. Die Ereignisse der letzten Wochen und die heutige Debatte trotz staatsmännischer Reden haben mich nicht überzeugt, sondern hier läuft eine fingierte, oder wie die Juristen sagen eine unechte, Vertrauensfrage. Schon der erste Satz Ihres Antrages, Herr Bundeskanzler, ist unwahr. Sie wollen doch gar nicht, dass man Ihnen das Vertrauen ausspricht. Sie wollen diese Abstimmung verlieren. Sie suchen einen Grund für Neuwahlen und das organisierte Misstrauen.
Bis in die gestrigen Abendstunden hatten wir eine stabile Mehrheit, die in sieben Jahren nicht ein einziges Mal versagt hat, obwohl sie seit dem 22. Mai vom Kanzler und Franz Müntefering attackiert wird. Sie suchen eine neue Legitimation für Ihre Politik, doch diese Art von Selbstbestimmungsdemokratie sieht unser Grundgesetz nicht vor.
Was jetzt passiert, ist die Sinnentleerung des Artikels 68. Dass ausgerechnet die alten 68er, so wie sie hier versammelt sind, über einen Missbrauch des Artikels 68 Ihren Abgang vorbereiten, gehört zu den grotesken Momenten dieses Vorgangs.
Das ist nicht nur ein Tiefpunkt der demokratischen Kultur, sondern Sie beschädigen auch das Ansehen des Parlaments und meine und unsere Rechte als Abgeordnete. Oder, um einen aktuellen Buchtitel des Außenministers aufzugreifen: Die Rückkehr der Geschichte sollten wir nicht als ein Stück Volkskammer veranstalten. Auch da wurden die Abgeordneten eingeladen, nicht ihrer Überzeugung, sondern dem Willen von Partei- und Staatsführung zu folgen.
Die Formierung einer neuen Linkspartei und die Erosion der SPD wurde beschleunigt.«

Artikel vom 02.07.2005