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Hat 21 Tage Zeit: Bundespräsident Horst Köhler.

Köhler lässt sich nicht hetzen

»Komplexe Fragen« - Verfahren unter Verfassungsrechtlern umstritten

Berlin (dpa). Nach der mit Absicht verlorenen Vertrauensfrage des Bundeskanzlers muss Bundespräsident Horst Köhler (CDU) über die Auflösung des Parlaments entscheiden.
Gerhard Schröder hat nach der Vertrauensabstimmung am Freitag Köhler die Auflösung des Bundestages vorgeschlagen. In einer Mitteilung des Bundespräsidialamts hieß es am Freitag anschließend, die für die Entscheidung zu prüfenden Fragen seien »komplex«. Der Bundespräsident habe sich deshalb vorbehalten, die in Art. 68 des Grundgesetzes festgelegte Frist von 21 Tagen auszuschöpfen.
Die Unterredung des Kanzlers mit Köhler dauerte etwa 15 Minuten. Sollte sich Köhler für eine Neuwahl im Herbst entscheiden, wird sich voraussichtlich das Bundesverfassungsgericht damit befassen.
Unter Verfassungsexperten gilt das Verfahren als umstritten. Nach Auffassung des ehemaligen Verfassungsrichters Ernst Gottfried Mahrenholz gibt es gute Chancen. »Insgesamt ist zwar nicht alles plausibel, was der Kanzler gesagt hat zur Begründung des Auflösungsantrages«, sagte der ehemalige Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts. »Aber im Großen und Ganzen reicht das für habhafte Gründe, um sie dem Bundespräsidenten vorzulegen«, sagte Mahrenholz.
Dem entgegnete der Verfassungsjurist Hans-Peter Schneider vom Deutschen Institut für Föderalismusforschung: »Das, was heute gesagt worden ist vom Kanzler, reicht meines Erachtens nicht aus.« Er sei »nicht davon überzeugt, dass alle Gründe, die der Kanzler genannt hat, in verfassungsrechtlicher Hinsicht ausreichen, um das Ausmaß an Instabilität und stetiger Regierungsunfähigkeit zu begründen, das Artikel 68 ja für Neuwahlen verlangt«. Den Hinweis von SPD-Chef Franz Müntefering, der Kanzler habe weiter das Vertrauen seiner Fraktion, nannte Schneider mit Blick auf die notwendige Beurteilung des Bundespräsidenten »sehr gefährlich«.

Artikel vom 02.07.2005