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Ein ganzes Leben und
viel Weltgeschichte

Der 2000. Themenabend ist dem Dalai Lama gewidmet

Von Klaus Koch
Arte, Sonntag, 22.55 Uhr: Er übernahm als 15-Jähriger offiziell die Staatsgewalt in Tibet, als schon chinesische Besatzungstruppen im Land waren. Mit 24 Jahren flüchtete er 1959 nach Indien, von wo er mit seiner Exilregierung weltweit für die Rechte und die Kultur seines Volkes eintritt.

Mit dem Friedensnobelpreis wurden 1989 seine Verdienste um friedliche Konfliktlösungen gewürdigt. Am 6. Juli wird der 14. Dalai Lama 70 Jahre alt, und aus diesem Anlass widmet ihm Arte seinen 2000. Themenabend.
In einem gerade erst fertig gestellten Dokumentarfilm zeichnen Albert Knechtel und Thea Mohr den Weg des Oberhaupts der Tibeter nach: »Ein Leben für Tibet«. Ein ausführliches Interview mit dem Dalai Lama bildet den Rahmen für die filmische Erzählung seines Lebens und von sieben Jahrzehnten Weltgeschichte.
Mit Hilfe von Wochenschaubildern und anderen Dokumentaraufnahmen sowie Interviews blicken die Autoren zurück bis in die 30er Jahre, als Lhamo Dhondrub im nordöstlichen Tibet geboren wurden. Als er zwei Jahre alt war, erkannte eine Findungskommission in ihm die Wiedergeburt des 13. Dalai Lama und somit den wiedergeborenen Buddha. In der Hauptstadt Lhasa wurde er zum geistlichen und auch staatlichen Oberhaupt erzogen.
Der Dalai Lama selbst und Zeitzeugen wie sein jüngerer Bruder Tendzin Choegyal, der österreichische Bergsteiger Heinrich Harrer oder Hollywoodstar Richard Gere kommentieren die Ereignisse. Zu den überraschenden Bekenntnissen des Dalai Lama gehören seine jugendliche Begeisterung für tödliche Waffen und den chinesischen Kommunistenführer Mao Tsetung, mit dem er 1955 in Peking - erfolglos - über einen Rückzug der Besatzer verhandelte. Seine Augen leuchten, wenn er von den »wunderschönen Raketen und Gewehren« erzählt und trüben sich sofort ein, wenn er die Erkenntnis folgen lässt, dass diese schönen Dinge furchtbare Schmerzen verursachen.
Der Film zeigt auch das Leben der etwa 85 000 Tibeter im Exil in Dharamsala in Nordindien, wo der Dalai Lama seit 1960 residiert. Dort wird der Zusammenhalt der tibetischen Gemeinschaft in Schulen und anderen Gemeinschaftseinrichtungen gepflegt. Es geht darum, die nationale Identität der Tibeter zu bewahren, denn nach Tibet selbst ist eine große Zahl an Chinesen umgesiedelt worden, um den Anspruch zu untermauern, dass Tibet ein Teil Chinas sei.
Zu den Zeitzeugen, die zu Worte kommen, gehört Heinrich Harrer (92), der von 1946 bis 1952 in Lhasa war und dort mit dem jungen Dalai Lama zusammentraf. Dieser erzählt heute, dass Harrer der erste Mensch gewesen sei, der ihm einen Eindruck von Europa vermittelte. Die damaligen Erlebnisse hat Harrer in seinem Buch, »Sieben Jahre in Tibet«, erzählt, das Jean-Jacques Annaud 1997 mit Brad Pitt als Harrer verfilmte.
Der Themenabend wird um 20.40 Uhr eröffnet mit Martin Scorseses Spielfilm »Kundun« von 1997. An die neue Dokumentation schließt sich um 0.30 Uhr Werner Herzogs Dokumentarfilm »Rad der Zeit« (2003) an, der buddhistische Pilger nach Tibet begleitet.

Artikel vom 02.07.2005