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 Radprofi Jörg Ludewig  MeinTour-Tagebuch



Bonjour liebe Radsportfreunde!
Heute wird es für mich um 17.27 Uhr ernst. Dann stehe ich in Fromentine auf der Rampe. 19 Kilometer Zeitfahren, vielleicht die richtige Distanz, um die Meute zu beruhigen und auf den kommenden Flachetappe für mehr Ruhe als im Vorjahr zu sorgen.
Ich melde mich aus dem Bus auf dem Weg zur Teampräsentation. Es sind diese Termine und Rituale, die uns Fahrer Stück für Stück auf den Start der Tour hinführen. Meinen Gesundheitscheck habe ich mit Bravour bestanden.
Und gestern war für mich wieder »Weihnachten im Sommer«: Wir haben unser Tourequipment bekommen. Die Colnago-Räder mit Shimano-Komponenten haben neue Carbonlaufräder und Carbonlenkereinheiten. Neue Schuhe gabÕs auch und starke Trikots in unserem fröhlichen Domina-Vacanze-Design. Ganz dünnes Material für die heißen Tage, da kann man fast durchgucken. Ich hoffe ja drauf, dass wir richtiges Sommerwetter bekommen, da fühle ich mich am wohlsten.
Im Moment herrscht wettermäßig fast das Gegenteil. Regen und starker Wind. Gestern und heute haben wir mit der Mannschaft trainiert. Ganz lockere 120 Kilometer. Es läuft gut, obwohl wir nur noch mit einer Rumpftruppe hier antreten können, nachdem Belli mit Magenproblemen, Fertonani mit Pfeifferschem Drüsenfieber und Valotti wegen seines Beckenbruchs von der Tour de Suisse ausgefallen sind.
Auch Serhiy Honchar, auf dem die größten Hoffnungen unseres Teams ruhen, ist nicht 100-prozentig fit und braucht noch Antibiotika. Selbst wenn meine Rolle im Team jetzt ein bisschen wichtiger wird - mir wäre es lieber, wir könnten in Topbesetzung antreten.
Wenn das Wetter so mies bleibt, wird die Auftaktetappe morgen alles andere als leicht. Wir sind die Strecke heute abgefahren. Da blies der Wind mit 6 oder 7 Stärken von vorne, und im Rennen tritt jeder einzeln an, da gibtÕs keinen Windschatten zum Verstecken. Selbst wenn du nur nen 40-er Schnitt fahren willst, ist das auf den 19 Kilometern schon am Anschlag. Powerst du dann zu sehr, spürst du die Folgen die ganze erste Woche in den Beinen.
Für mich entscheidet sich die Tour nicht am ersten Tag. Ich weiß inzwischen, dass mein Körper wie ein Turbodiesel bei einer solchen Rundfahrt erst langsam auf Touren kommt. Für Samstag wünsche ich mir nur einen guten Einstieg, ich will ohne Sturz durchkommen, mal testen wie gut die Beine sind und Moral tanken. Rückenwind wäre nicht schlecht, dann fallen die Differenzen zu den Spitzenfahrern nicht ganz so groß aus.

Artikel vom 02.07.2005