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Fleisch-Razzia
vorab verraten

Fahnder suchen Leck in eigenen Reihen

Von Ernst-Wilhelm Pape
Bochum/Münster (WB). Die Staatsanwaltschaft Bochum ermittelt gegen den 43 Jahre alten Betriebsleiter des Fleisch- und Wurstproduzenten Barfuss in Oer-Erkenschwick. Dem Beschuldigten wird Strafvereitelung und Beihilfe zum Verrat von Dienstgeheimnissen vorgeworfen.

Aus einem Verfahren der Staatsanwaltschaft Oldenburg habe sich der Verdacht ergeben, dass der Betriebsleiter im Vorfeld über Razzien gegen Schwarzarbeit wusste, sagte Oberstaatsanwalt Bernd Bienioßek dieser Zeitung. Nach langwierigen Vorermittlungen habe sich der Verdacht erhärtet. Am Mittwoch der vergangenen Woche seien das Büro und die Privatwohnung des Betriebsleiters durchsucht und der Beschuldigte vernommen worden. Der 43-Jährige habe alle Vorwürfe bestritten. Hinweise, dass Beamte von Ermittlungsbehörden wie Staatsanwaltschaft, Zoll oder Steuerfahndung gegen Bezahlung bevorstehende Durchsuchungen in der Fleischindustrie verraten haben, gebe es bisher nicht. Es sei aber nicht auszuschließen, dass Schmiergelder geflossen seien. Bienioßek: »Es wird in alle Richtungen ermittelt.« Auch der Name des möglichen Verräters stehe nicht fest. Die Hinweise, dass Dienstgeheimnisse verraten wurden, seien aber sehr konkret.
Nach Informationen dieser Zeitung hatten Fahnder bei Razzien in der Fleischindustrie den Eindruck, dass belastende Unterlagen im Vorfeld beiseite geschafft wurden. Ferner standen die Schlachterkolonnen am Tag der Kontrolle schulbuchmäßig am Band. Auch eine verbotene Vermischung von deutschen und ausländischen Arbeitern habe es dann nicht gegeben. »Die wussten vorher, dass wir kommen«, sagte ein Fahnder dieser Zeitung. Das sei gerade bei Barfuss auffällig gewesen.
Barfuss gehört seit September 2004 zur Westfleisch-Gruppe (1003 Mitarbeiter). Westfleisch mit Sitz in Münster ist Deutschlands drittgrößter Fleischverarbeiter und erzielte 2004 einen Umsatz von 1,4 Milliarden Euro. Europaweit steht hält Westfleisch Platz vier. Das Unternehmen hat auch Schlachthöfe in Lübbecke und Paderborn.
Bei einer der größten bundesweiten Razzien gegen Wirtschaftskriminalität waren am 26. April auch der Westfleisch-Schlachthof in Hamm-Uentrop und das Unternehmen Barfuss in Oer-Erkenschwick durchsucht worden. Staatsanwaltschaft und die Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Zolls werfen deutschen und ungarischen Subunternehmen vor, bundesweit 1500 ungarische Arbeitnehmer eingeschleust und als Billigarbeitskräfte beschäftigt zu haben. Wie berichtet, hat Westfleisch bereits eine neutrale Prüfungsgesellschaft beauftragt, Subunternehmer zu kontrollieren.

Artikel vom 01.07.2005