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Perfektionist im Kugelstoßring

Tilmann Northoff hat bei den Deutschen Meisterschaften 19 m im Visier

Von Werner Jöstingmeyer
Bielefeld (WB). Bielefelds Kugelstoß-Ass Tilmann Northoff gilt als Perfektionist. Nahezu täglich versucht er in Zusammenarbeit mit seinem Trainer Alexander Holstein die ohnehin technisch schwierige Drehstoßtechnik zu verfeinern. Inzwischen ist der 36-jährige Modellathlet des VfB Fichte bei 18,68 m angelangt. »Die 19 Meter habe ich im Visier. Nach Möglichkeit am Sonntag bei den Deutschen Leichtathletik-Meisterschaften in Wattenscheid«, hegt Northoff große Hoffnungen auf eine entsprechende Leistungssteigerung.

In der Deutschen Bestenliste rangiert der Leiter der Werkstoffprüfung in der Bielefelder Niederlassung der Firma Thyssen derzeit an achter Stelle. Hier führt der Neubrandenburger Ralf Bartels mit 21,36 vor Detlef Bock (VfL Wolfsburg/20,72 m) und Andy Dittmar (LG Ohra-Hörselgas/20,38). Danach folgen vier weitere 19 m-Stoßer vor Northoff als besten Westfalen. »Wenn ich Sonntag im Stadion Lohrheide den achten Platz mit entsprechender Weite bestätigen kann, bin ich zufrieden«, setzt sich der gebürtige Wiesbadener unter Druck und stellt fest: »Ich habe einige Elemente meiner Technik umgestellt. Wenn's im Wettkampf klappt, dann scheppert's richtig.«
Dabei waren die Voraussetzung im Winter keineswegs optimal. Beim Sturz auf der Kellertreppe im eigenen Haus in Enger zog sich Tilmann Northoff einen Sehnenabriss im rechten Fuß zu. »Die Hausarbeit soll man auch den Frauen überlassen«, lacht der Familienvater inzwischen wieder über sein Missgeschick. Kaum war die Verletzung weitgehend ausgeheilt, zwang ihn eine rätselhafte bakteriologische Entzündung zu einer zweimonatigen Wettkampfpause. »In dieser Zeit habe ich 15 Kilo verloren«, bedauert er seine langwierige Erkrankung.
Inzwischen hat Northoff sein »Kampfgewicht« von 130 kg wieder erreicht. Er fühle sich wohl und topfit, versichert er vor dem Saisonhöhepunkt in Wattenscheid. Als Beweis erinnert er an seine tolle Trainingsleistung vor wenigen Tagen: »Da passte alles. Die Kugel flog auf 19,60 m.«
In der Ruhe liegt bekanntlich die Kraft. »Im Wettkampf wirkt Tilmann noch häufig zu nervös und setzt sich vielleicht auch selber zu stark unter Druck«, kennt Trainer Holstein seinen Schützling aus dem Effeff. Seit gut vier Jahren arbeiten sie inzwischen zusammen.
Dabei gilt Tilmann Northoff in der Leichtathletikszene als »alter Fuchs«. Früher war der Zehnkampf sein Metier. Im Trikot von Bayer 05 Uerdingen überquerte er u.a. im Hochsprung immerhin respektable 2,11 m. »Damals war ich auch 50 Kilo leichter«, lacht der heutige Schwergewicht verschmitzt. Aus beruflichen Gründen gab er vor 14 Jahren die Leichtathletik auf. »Ich musste kreuz und quer durch die Bundesrepublik tingeln. Da blieb fürs Training keine Zeit«, begründet der Kugelstoßer seine damalige Entscheidung.
»Es war der Duft der Tartanbahn«, der mich vor knapp fünf Jahren nach einem Bandscheibenvorfall zurück ins Stadion führte«, erklärt Northoff mit launige Worten seine sportliche Wiederauferstehung. Bevor er ab 1. Janur 2004 das Trikot des VfB Fichte überstreifte, startete er zunächst zwei Jahre für die LG Bünde/Ahle/Löhne. Die besseren Trainingsbedingungen in Bielefeld (Seidensticker Halle/Rußheide) gaben den Ausschlag für den Vereinswechsel.
Für die marode und überalterte Bielefelder Leichtathletik gilt Tilmann Northoff seitdem als Glücksfall. Endlich stand bei westfälischen und westdeutschen Meisterschaften wieder ein heimischer Athlet mit Topleistungen ganz oben auf dem Siegertreppchen. Schließlich war zudem der Bielefelder Uraltrekord im Kugelstoßen von Robert Dissel (BTG) mit 15,96 m aus dem Jahr 1963 längst überfällig.
Die neue Bestmarke hat Tilmann Northoff im Mai im Gütersloher LAZ Nord auf 18,68 m deutlich verbessert. Und noch ist seine Leistungsgrenze nicht in Sicht. Bei den Nationalen Titelkämpfen in der Wattenscheider Lohrheide will der Bielefelder Kugelstoßer am Sonntag (Beginn 18.15 Uhr) eine weitere neue Duftmarke setzen.

Artikel vom 02.07.2005