01.07.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Zwanzig Jahre später: Die
Welt rockt wieder für Afrika

Veranstalter rechnen mit Verlusten und setzen auf persönlichen Einsatz

Von Oliver Kreth
Berlin (WB). Aus Protest gegen die Armut in Afrika und die Haltung der führenden Industrieländer werden an diesem Samstag in acht Ländern Konzerte stattfinden. Zwanzig Jahre nach »Live-Aid« trägt die Serie diesmal den Namen »Live 8«.

Nach Angaben der Organisatoren werden 85 Prozent der Weltbevölkerung die Möglichkeit haben, das Spektakel über Fernsehen, Radio, Internet oder Handy mitzuverfolgen. Es wird mit einer Milliarde TV-Zuschauern gerechnet.
Mit diesem Event sollen vor allem die Regierungschefs der G8-Staaten bewegt werden, bei ihrem Gipfel, der in der folgenden Woche in Schottland stattfindet, eine Verdoppelung der Entwicklungshilfe und faire Handelsbedingungen für die afrikanischen Staaten zu beschließen
Schauplatz des größten Konzerts ist der Londoner Hyde Park. Initiator Bob Geldof konnte dafür eine Starbesetzung verpflichten: Mit dabei sind unter anderem Coldplay (Chris Martins Frau, Oscar-Preisträgerin Gwyneth Paltrow wird den Stars Tee und Gebäck servieren), Madonna, Elton John, Robbie Williams, U2, Pink Floyd und Paul McCartney.
Für das Ereignis wurden 150 000 Karten verlost. Weitere 100 000 Fans können das Ereignis auf Leinwänden verfolgen. Parallel dazu wird in Berlin, Paris, Philadelphia, Rom, Barrie (Kanada), Tokio und Johannesburg schwer abgerockt.
Während Geldof, der frühere Leadsänger der Boomtown Rats, vor 20 Jahren »Give us your f... money« in die Mikrofone gebrüllt hatte, um eine Hungersnot in Äthiopien zu bekämpfen, geht es ihm diesmal darum, den politischen Druck auf die Regierungschefs der führenden Industrieländer zu erhöhen.
Diesmal soll dieses äußerst politische Ereignis auch ohne zu große Kontroversen auskommen. Klingt merkwürdig. Trotzdem gilt Kritik am US-Präsidenten Georege W. Bush und am britischen Premier Tony Blair als Tabubruch. Der Festivalinitiator höchstpersönlich hat den auftretenden Künstlern den Maulkorb verpasst. »Absolut kein Gegeifere oder Wettern gegen Bush, Blair oder den Irakkrieg. Das ist nicht der Grund, warum du für einen Auftritt eingeladen wurdest«, wird Geldof von einem namentlich nicht genannten Musikmanager zitiert. Das einzige politische Anliegen sei die Hilfe für Afrika. Allzu direkte Kritik an den Machtzentralen der Welt könnte da einen eher unerwünschten Effekt haben könnte.
Im Interview mit dem Time-Magazin äußerte der von der Queen wegen seines sozialen Engagements Geadelte sich zudem Bush gegenüber wohlwollend. Der habe sich mehr als jeder andere Präsident für Afrika eingesetzt.
Kurz nachdem Geldof seine Pläne bekannt gegeben hatte, waren allerdings kritische Stimmen laut geworden. So musste er sich den Vorwurf gefallen lassen, afrikanische Musiker zu ignorieren. Andy Kershaw, der Moderator des Live-Aid-Konzerts von 1985, bemängelte im »Guardian«: »Geldof sagt, Vergesst Afrika nicht, aber genau das hat er gemacht.« Daraufhin verpflichtete Geldof auch farbige Rapper wie Snoop Dogg. Außerdem wurde zusammen mit Peter Gabriel (Genesis) ein alternatives »Live 8«-Konzert unter dem Titel »Africa Calling« organisiert, bei dem nur afrikanische Künstler auftreten werden.
Während sich nun das Lineup für die kanadische »Live 8«-Ausgabe in Toronto konkretisiert, bestätigt während der Woche eine Konzertagentur in Deutschland die Verpflichtung weiterer Acts. Danach stehen morgen neben Green Day, Brian Wilson, Lauryn Hill, Peter Maffay, Die Toten Hosen, a-ha, Wir sind Helden auch Herbert Grönemeyer, Roxy Music und Audioslave unter dem Brandenburger Tor auf der Bühne. Mit Travis und Nena führte man noch Gespräche über einen eventuellen Auftritt. Der Meldung, die Sex Pistols würden sich für das London-Konzert wiedervereinigen, folgte ein Dementi.
Mit einem Gewinn rechnen die Veranstalter übrigens nicht, sondern möglicherweise mit finanziellen Verlusten. Im Gegensatz zum Live-Aid-Konzert in den 80er Jahren, bei dem mehrere hundert Millionen Dollar an Spenden als Hilfe für Afrika zusammengekommen waren. Organisator Bob Geldof möchte mit den Konzerten vor allem persönlichen Einsatz aktivieren und nicht nur Geld sammeln. »Wir wollen nicht euer Geld, wir wollen euch«, lautete sein Aufruf.
Wie eine Sprecherin von »Live 8« mitteilte, wird erwartet, dass die Einnahmen von der Ticketverlosung, von Merchandising und Fernseh-Rechten gerade die Kosten für die Konzerte decken. Obwohl die Künstler ohne Gage auftreten, entstehen Kosten für Ton- und Lichtanlagen, Bühnenaufbau, Platzanmietung und Reinigung.

Artikel vom 01.07.2005