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Sage um den Blitzeinschlag

Martin Luther ging vor 500 Jahren ins Erfurter Kloster

Von Marco Mierke
Erfurt (dpa). Ein simples Sommergewitter hat den kleinen thüringischen Ort Stotternheim in den Mittelpunkt der Weltgeschichte gerückt. Der heutige Erfurter Vorort gilt als Ausgangspunkt für die Spaltung der Christenheit.

Genau hier soll Martin Luther am 2. Juli 1505 aus Angst vor einem Unwetter das Gelübde abgelegt haben, ins Kloster zu gehen. Eine Entscheidung, die den Jurastudenten letztlich zum großen Kirchenreformator machte. Exakt 500 Jahre später ist der »Blitzschlag von Stotternheim« Anlass für Jubiläumsfeiern. Möglicherweise zu Unrecht: Dass bei Luthers Entscheidung, Mönch zu werden, ein Gewitter eine Rolle spielte, ist sehr umstritten.
Was die Stotternheimer dieser Tage in Aufregung versetzt und zu einem Festprogramm wie auch zum Ausbau des Denkmals um den Lutherstein führt, verweisen Experten ins Reich der Legenden. Wie Luthers Thesenanschlag an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg oder sein Wurf mit dem Tintenfass nach dem Teufel in der Wartburg ist auch die Geschichte des Blitzschlags mehr Dichtung als Wahrheit, sagt Volkmar Joestel von der Stiftung Luthergedenkstätten. »Es ist schier unglaubhaft, dass ein einziges Gewitter einen 22-jährigen Mann so ängstigt, dass dieser ein Gelübde ablegt«, sagt der Historiker.
Der Blitzschlag rankt sich nicht als einziges Gerücht um den Eintritt Luthers ins Erfurter Augustiner-Kloster 15 Tage nach dem vermeintlichen Gewitter. So wird laut Joestel kolportiert, dass Luther vor einer ungeliebten Frau flüchtete. In einer Schrift von 1521 werfe Luther dem Vater vor, geplant zu haben, ihn der Karriere wegen standesgemäß zu verheiraten. Andere Forscher sprächen von einem Mord Luthers an einen Widersacher. Skrupel über diese Tat hätten ihn ins Kloster getrieben. »Wo es an Quellen mangelt, sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt«, meint Joestel.
Der wahre Grund lässt sich seiner Meinung nach kaum noch rekonstruieren. Statt Angst vor dem Unwetter sei Luthers Angst vor dem Tod als Auslöser wahrscheinlicher gewesen, immerhin habe die Pest mehrere Dozenten und Studenten an seiner Universität getötet. »Aber völlig egal, was passiert ist - es war eine der folgenschwersten Bekehrungen in der Kirchengeschichte.« Und: »Ohne die Entscheidung hätten wir nicht den Theologen Luther. Und so feiern wir sie.«

Artikel vom 02.07.2005