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Sind enttäuscht, geben sich aber weiter kämpferisch: Sennestadts Bezirksvorsteher Karl Wolff und seine Stellvertreterin Elke Klemens.Foto: Hans-Werner Büscher

»Da kommt kein Wir-Gefühl auf«

OB David lehnt in Ratssitzung Übergabe von Protestunterschriften ab

Von Ulrich Hohenhoff
Sennestadt (ho). Unerwarteter Affront gestern in der Sitzung des Bielefelder Stadtrates: Oberbürgermeister Eberhard David weigerte sich, die von Sennestädter Bürgern gesammelten Unterschriften gegen eine beabsichtigte Schließung des Bezirksamtes entgegen zu nehmen.

»Außer Spesen nichts gewesen«, kommentierte Bezirksvorsteher Karl Wolff enttäuscht und ernüchtert das Verhalten des OB. Wolff wollte gemeinsam mit seiner Stellvertreterin Elke Klemens die Protestlisten übergeben, musste aber postwendend wieder abziehen.
Dabei hatte der Sennestädter Bezirksvorsteher den Verwaltungschef »vorwarnen« lassen. Gestern Morgen kündigte er die beabsichtigte Übergabe der Unterschriftenlisten in der Ratssitzung im Büro des OB an. »Kein Problem«, sei ihm mitgeteilt worden. In der Sitzung dann ließ der Oberbürgermeister ausrichten, dass er nicht willens sei, den Bürgerprotest cora Publikum in öffentlicher Sitzung entgegen zu nehmen. Er sei allenfalls bereit, nach draußen zu kommen und sozusagen »vor der Tür« die Unterschriftenlisten einzusammeln. Das aber lehnten Wolff und Klemens ab, die Unterschriften sollen dem OB nun per Post zukommen.
Wolff: »Wir haben unser Möglichstes getan, mit einer derartigen Reaktion konnten wir nicht rechnen, aber wie heißt es so schön: Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat verloren . . .« Sennestadts Bürger waren unmittelbar nach Bekanntwerden der Verwaltungsvorlage, das Bezirksamt zu schließen, auf die Barrikaden gegangen, hatten ihren Unmut spontan zum Ausdruck gebracht. In nur elf Tagen unterschrieben 2 362 Bürgerinnen und Bürger. »Das sind immerhin 15 Prozent aller wahlberechtigten Sennestädter. Eine deutliche Aussage, die man im Rathaus nicht so ohne weiteres ignorieren kann«, empört sich Wolff. »Und ob Bezirksamtsschließungen zur Haushaltskonsolidierung beitragen, darf doch sehr bezweifelt werden«.
Zudem sei er sicher, »dass die Leute, die die Entscheidung getroffen erarbeitet haben, keine Ahnung haben, wo denn beispielsweise Dalbke oder Heideblümchen liegen, geschweige denn die Probleme in den vier Stadtteilen von Sennestadt kennen«. Die Art und Weise, wie seinerzeit die Entscheidung über die Köpfe der Betroffenen hinweg getroffen worden sei, sei indiskutabel. »So geht man nicht mit Leuten um«. Und: »Wir wissen bis heute nicht, wo die Bürger unseres Stadtbezirkes künftig ihre gelben Säcke erhalten, ob eine Bürgerberatung bestehen bleibt. Wir brauchen einfach Ansprechpartner vor Ort«.
Bitter fügt der Bezirksvorsteher hinzu: »Namhafte Leute haben uns immer wieder gefragt, ob die Sennestädter mehr als 30 Jahre nach der Gebietsreform sich nicht endlich als Bielefelder fühlen wollten. So lange derartige einsame Beschlüsse gefasst werden, kommt bei unseren Bürgerinnen und Bürgern einfach kein Wir-Gefühl auf«!

Artikel vom 01.07.2005