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Flüchtling in Irkutsk aufgespürt

Staatsanwalt Stollberg verblüffte mit Russischkenntnissen

Bielefeld (uko). Der Arm der Staatsanwaltschaft Bielefeld reicht sehr weit: Diese bittere Erkenntnisse machte jetzt der Rußlanddeutsche Vladimir F. (27) den Staatsanwalt Joachim Stollberg nach dessen Flucht sogar im 9 000 Kilometer entfernten Irkutsk aufspürte. Seit Mittwoch sitzt der Mann wieder in deutscher Untersuchungshaft.

Seit August 2004 saß der Rußlanddeutsche in der Haftanstalt Bielefeld-Brackwede I ein, wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei. Stollberg warf ihm und zwei Komplizen vor, Zigaretten von Italien über Deutschland nach England geschmuggelt zu haben. Am 16. Oktober 2004 präsentierte der Häftling dem Anstaltsarzt eine Handverletzung. Der Mediziner ordnete die Behandlung in den Kliniken Rosenhöhe an. Dort überwältigte F. zwei Justizbeamte und floh. Der Staatsanwalt: »Die Verletzung war doch nur vorgetäuscht.«
Intensive Recherchen ließen Stollberg jedoch bald fündig werden. Vladimir F. hatte sich bei Verwandten in Irkutsk in Sibirien verschanzt. Die Millionenstadt liegt am Baikalsee, das ist mehr als 9 000 Kilometer von Bielefeld entfernt. Über Interpol wandte er sich an die Polizei der Russischen Föderation Und die deutsch-russische Strafverfolgung klappte bestens: Bereits am 9. Dezember 2004 wurde der Russe mit dem deutsche Pass in einer Wohnung in Irkutsk festgenommen und in Auslieferungshaft genommen.
Das Auslieferungsersuchen übersandte Joachim Stollberg an eine Kollegin in Moskau: Oberstaatsanwältin Valentina Nikitina von der Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation staunte nicht schlecht, als sie von ihrem Gesprächspartner am Telefon in ihrer Muttersprache angeredet wurde. Joachim Stollberg spricht nach Studienaufenthalten in Rußland fließend Russisch.
Am Dienstagabend schließlich wurde Vladimir F. mit einem Linienflugzeug nach Frankfurt überstellt. Gestern mittag saß der Flüchtling in einer Haftvorführung seinem hartnäckigsten Verfolger gegenüber. Reaktion des Neu-Häftlings: »Ich will, dass dieser Staatsanwalt ausgewechselt wird.«

Artikel vom 30.06.2005