01.07.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

»Räumung ist ein Skandal«

Kranke empört - Pfleger weinen - Bürgermeister wütend

Von Wolfgang Wotke
Rheda-Wiedenbrück (WB). Enttäuschung, Empörung, Wut und Tränen: Die Zwangsschließung des Evangelischen Krankenhauses gestern in Rheda (Kreis Gütersloh) ließ die Gefühle der betroffenen Menschen in Aufruhr geraten.

»Heute Abend muss hier alles leer sein. Morgen kommt der Insolvenzverwalter«, ruft Pflegekoordinatorin Karin Linnemann-May und ergänzt: »Wir müssen 50 Patienten in andere Krankenhäuser verlegen.«
Dann kommen die ersten kranken Menschen aus ihren Zimmern. Wer nicht laufen kann, wird im Rollstuhl geschoben, andere Patienten gehen mit ihren Betten auf Reisen. Alles geschieht diszipliniert. 15 Rettungs- und Krankentransportwagen stehen bereit, sie werden von der Rettungsleitstelle Gütersloh koordiniert.
Eine Schwester schiebt die 75-jährige Elisabeth Köper, vor wenigen Tagen operiert, mit ihrem Bett durch den engen Flur. Plötzlich steht die alte Dame aufrecht, schimpft und kann die Welt nicht mehr verstehen: »Was hier passiert, ist ein Skandal. So etwas kann man mit Menschen doch nicht machen.«
Uwe Brandenburg, der leitende Pfleger des Krankenhauses, ist völlig verzweifelt und weint hemmungslos: »Mehr als 20 Jahre habe ich hier gearbeitet und sogar meine drei Kinder sind hier geboren. Ich weiß nicht, was jetzt wird«, seufzt der 47-Jährige und versucht im gleichen Atemzug Ordnung in das Durcheinander zu bringen: »Die Kranken können nichts dafür. Wir müssen sie ordentlich und ohne Hektik verlegen.«
Schwester Gaby von der Station II kämpft in einer kleinen Verschnaupfpause mit den Tränen: »Was wird jetzt aus uns?«, fragt sie, »Wie soll das weitergehen? Meine Kollegin ist alleinerziehende Mutter. Die kann zum Sozialamt gehen.« Auch Bürgermeister Bernd Jostkleigräwe hat Wut im Bauch: »Ich bin tief enttäuscht über das Verhalten der Krankenkostenträger. Wir versichern unsere Solidarität mit den 80 Mitarbeitern. Wir werden wir helfen.«

Artikel vom 01.07.2005