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Sayonara, Professor Minami!

Nach 12 000 Operationen kehrt Herzchirurg Deutschland den Rücken

Von Christian Althoff
Bad Oeynhausen (WB). Nach 30 Jahren und 12 000 Operationen kehrt Herzchirurg Prof. Dr. Kazutomo Minami (59) in seine Heimat Japan zurück. »In Deutschland habe ich keine Perspektive«, erklärte der Mediziner und stellvertretende Ärztliche Direktor des NRW-Herzzentrums in Bad Oeynhausen.
Prof. Minami hat die Option, in Japan bis zum 75. Geburtstag zu arbeiten.

Sein jüngster Patient war ein nur 800 Gramm schwerer Säugling, sein ältester ein 94 Jahre alter Mann. »Ich habe gerne in Deutschland gearbeitet«, sagt Minami, der vor 30 Jahren in Düsseldorf als Assistenzarzt den Grundstein seiner Karriere gelegt und seit 21 Jahren in Oeynhausen als Herzchirurg gewirkt hatte. Dabei ruhte sich der Japaner nicht auf seinen Verdiensten aus, sondern ist bis heute einer der Chirurgen, die auch nachts immer zur Verfügung stehen - etwa für Herztransplantationen. »Von den 1400 Herzen, die in Oeynhausen verpflanzt worden sind, habe ich etwa 600 transplantiert«, erzählt er. Doch damit ist nun Schluss: Am 10. Juli steht Minami zum letzten Mal in Deutschland am OP-Tisch.
Der Mediziner kritisiert, dass erfahrene Ärzte wie er in Deutschland mit 65 Jahren das Skalpell fallen lassen müssten: »Der amerikanische Herzchirurg Michael De Bakey hat noch mit 94 Jahren operiert. Ich will nicht sagen, dass jeder Arzt so lange arbeiten kann, aber man sollte Chirurgen, die ihre Erfahrung noch länger einbringen möchten, diese Möglichkeit geben«, sagt Kazutomo Minami. Da er wisse, dass ihn »die Bürokraten« in sechs Jahren in Deutschland nicht mehr arbeiten ließen, habe er kurzfristig ein Angebot aus Japan angenommen, »das ich einfach nicht ausschlagen konnte.« Minami soll an der Nihon-Universität in Tokio in den kommenden drei Jahren das mit 400 Betten und jährlich 1500 Operationen größte Herzzentrum des Landes aufbauen und anschließend leiten. Um bei Preisen von 50 000 Euro pro Quadratmeter Bauland den Platz optimal zu nutzen, wird der künftige Ärztliche Direktor schon in der Bauphase eingebunden. Warum die Wahl ausgerechnet auf den 59-jährigen Chirurgen aus Bad Oeynhausen gefallen ist, verrät dieser wegen der ihm eigenen Bescheidenheit nur widerwillig: »Es gibt keinen anderen Japaner auf der Welt, der so viele Herzoperationen gemacht hat wie ich und über die entsprechende Erfahrung verfügt.« Und die wird benötigt, denn in Japan gibt es einen steigenden Bedarf an Herzchirurgen: »Wegen der gesunden Ernährung mit viel Gemüse und Fisch, aber wenig Fleisch, kamen die 120 Millionen Japaner bisher nur auf 40 000 Herzoperationen pro Jahr - im Gegensatz zu Deutschland, wo wir bei 82 Millionen Einwohnern jährlich 130 000 OPs zählen«, erklärt Minami. Die zunehmende Verbreitung von Fast Food lasse allerdings in seiner Heimat die Zahl der Herzkranken deutlich steigen.
Nach 30 Jahren zurück nach Japan - Kazutomo Minami lässt durchblicken, dass dieser Schritt für seine französische Ehefrau Nicole nicht einfach werden wird. »Ein Haus wie hier im Grünen - das ist in Tokio wegen der gewaltigen Entfernungen undenkbar«, sagt der Herzchirurg, der nicht nur die Nähe zur Natur vermissen wird: »Ich liebe Rollbraten und Spargel. Beides wird mir fehlen«, erzählt der Arzt, der sich andererseits auf den Reis in seiner Heimat freut: »So wie die Deutschen bei Kartoffeln einen Unterschied schmecken, gibt es für Japaner Unterschiede beim Reis«, sagt der 59-Jährige und ergänzt schmunzelnd, der in Deutschland verkaufte Reis eigne sich »allenfalls als Viehfutter«.
Sein »Abschiedsgeschenk« hat Minami übrigens schon am Samstag bekommen: »Wir haben überraschend schnell ein Spenderherz für ein todkrankes, achtjähriges Mädchen aus Japan gefunden, das seit fünf Wochen bei uns in Oeynhausen behandelt wird.« In Japan hätte das Mädchen keine Chance gehabt, weil dort Transplantationen an Kindern verboten sind. Aber auch daran wird Kazutomo Minami in den kommenden Jahren sicherlich arbeiten. . .

Artikel vom 30.06.2005