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»Sternstunde« vor halb leeren Bänken

Der Rat verabschiedet den Haushalt 2005 - »Große Koalition« will raus aus dem Nothaushaltsrecht

Von Michael Schläger
Bielefeld (WB). Mit den Stimmen von CDU, SPD, Grünen und Bürgergemeinschaft hat der Rat gestern den 1,1-Milliarden-Haushalt 2005 der Stadt verabschiedet. FDP und PDS lehnten das Zahlenwerk ab. Die »Bürgernähe« beteiligte sich nicht an der Abstimmung.

In der vorausgegangenen Debatte beschworen die Redner von Union, Sozialdemokraten, Grünen und BfB die gemeinsame Anstrengung, 2006 wieder einen genehmigungsfähigen Haushalt vorzulegen, um so herauszukommen aus dem Nothaushaltsrecht, das der Stadt zurzeit jede Gestaltungsfähigkeit raubt. Doch das Interesse der Ratspolitiker war verhalten. Die Reden wurden teils vor halb leeren Bänken gehalten.
Oberbürgermeister Eberhard David (CDU) nutzte die Ratssitzung, um in einer Grundsatzrede noch einmal seine »Perspektiven 2009« darzulegen. Obenan stehe dabei die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, die die Stadt durch eine intensivierte Wirtschaftsförderung voranbringen solle. Die Stadt müsse außerdem auf den demografischen Wandel, die älter werdende Gesellschaft vorbereitet werden. Das Oberzentrum müsse im Standortwettbewerb konkurrenzfähig bleiben. Dazu gehörten Projekte wie die Erweiterung der Stadthalle. Investitionen in den Bildungsbereich sollten einen weiteren Schwerpunkt bilden, einschließlich der Fortsetzung des Schulbausanierungsprogramms. Und schließlich solle die Verwaltung zu einem modernen Dienstleistungsbetrieb umgebaut werden. Das alles stehe aber unter der Prämisse der erfolgreichen Haushaltskonsolidierung.
»Wir sind zum Erfolg verdammt«, meinte die grüne Fraktionssprecherin Dr. Inge Schulze. Nach dem sich die vier Fraktionen darauf verständigt hätten, eine gemeinsame Lösung aus der Etatmisere zu finden, gebe es kein Zurück mehr, ohne sich gehörig zu blamieren.
»Vielleicht sind wir auch durch das Ergebnis der Kommunalwahl zu diesem Schritt gedrängt worden«, sagte Detlef Werner (CDU) angesichts der Mehrheitsverhältnisse, die weder für die Bürgerlichen noch für Rot-Grün eindeutig seien.
Eigentlich müssten die Etatdebatten die Sternstunden eines Rates, meinte SPD-Fraktionschef Peter Clausen. Inzwischen sei aus dem Haushalt aber eine »eher langweilig geschriebene Horrorgeschichte« geworden. »Aus diesem Teufelskreis wollen wir herauskommen.« Das klassische Denkschema zwischen Regierung und Opposition funktioniere nicht mehr, ergänzte Ralf Schulze, Fraktionschef der Bürgergemeinschaft. Neue Schulden könnten nicht mehr gemacht werden, warnte er. Gleichzeitig sei es aber wichtig, Perspektiven für die künftige Stadtentwicklung zu diskutieren.
Otto Sauer (FDP) gehen die Sparanstrengungen der neuen »großen Koalition« nicht weit genug. Die von den Fraktionen geforderten Personaleinsparungen brächten lediglich 1,9 Millionen Euro im Jahr. Notwendig seien mindestens fünf Millionen. Chancen zum Verkauf weiterer Stadtwerkeanteile und zur Teilprivatisierung des Umweltbetriebs würden nicht genutzt. Auch die Gewinnausschüttung der Sparkasse könne weiter erhöht werden, dem Etat zugute kommen. Grüne und PDS scheiterten mit ihrem Vorstoß, die Fahrpreisermäßigung für Hartz-IV-Empfänger zu erhalten.
In der Oktober-Ratssitzung will die neue Etat-Koalition erste Beschlüsse fassen - zur Zukunft des städtischen Umweltbetriebes.

Artikel vom 01.07.2005