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Türkei soll EU-Mitglied werden

EU-Kommission legt Verhandlungsrahmen für die Gespräche vor

Brüssel (dpa). Die Türkei soll nach dem Willen der EU-Kommission ein Vollmitglied der Europäischen Union werden. Erweiterungskommissar Olli Rehn hat für die am 3. Oktober beginnenden Verhandlungen eigenen Angaben zufolge einen »strengen Verhandlungsrahmen« vorgelegt.
Die Verhandlungen, die nicht vor 2014 zu einem Beitritt der Türkei führen können, sollen »ein Prozess mit offenem Ende« sein. Bei einer »sehr lebhaften« Diskussion innerhalb der Kommission wurde jedoch der Vorschlag von mehreren konservativen Kommissaren, auch eine »privilegierte Partnerschaft« als mögliches Ergebnis der Verhandlungen ausdrücklich zu nennen, abgelehnt. Diesen Vorschlag befürwortet auch Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel.
»Es wird sicherlich eine lange und schwierige Reise werden«, sagte Rehn bei der Vorlage des Verhandlungsrahmens. Die Verhandlungen zwängen die Türkei dazu, sich den EU-Standards von Menschenrechten und Rechtstaat zu unterwerfen. »Die Reise wird ebenso wichtig sein wie das Ziel.« Auch nach dem Nein bei den EU-Verfassungsreferenden in Frankreich und den Niederlanden gebe es keinen Grund, auf die Beitrittsverhandlungen mit Ankara zu verzichten. »Europa braucht eine stabile, demokratische und wohlhabende Türkei. Das liegt in unserem eigenen strategischen Interesse.«
Die Kommission legte auch einen Vorschlag für einen »Dialog mit der Zivilgesellschaft über die Erweiterung« vor. Er soll Ängste beseitigen und die Bürger in der EU, in der Türkei und in Kroatien auf den Beitritt Ankaras und Zagrebs vorbereiten.
Das Verhandlungsmandat lehnt sich im Wesentlichen an den Beschluss der EU-Staats- und Regierungschefs vom Dezember 2004 an. Damals war der Verhandlungsbeginn 3. Oktober festgelegt worden. Dem Verhandlungsmandat müssen nun alle 25 EU-Mitgliedstaaten zustimmen, damit die Gespräche beginnen können. Auch im Verhandlungsrahmen heißt es: »Das gemeinsame Ziel der Verhandlungen ist der Beitritt.« Es handele sich jedoch um einen Prozess »mit offenem Ende«. Sollte die Türkei nicht in der Lage sein, alle Bedingungen zu erfüllen, so müsse sie »durch eine möglichst starke Bindung möglichst vollständig in den europäischen Strukturen verankert« werden.
Voraussetzung für den Beginn der Verhandlungen ist die Unterzeichnung eines Protokolls, mit dem die Türkei de facto die Republik Zypern anerkennt. »Ich erwarte das während des Sommers«, sagte Rehn. Bereits seit dem 1. Juni sind sechs Gesetze in Kraft, die von der EU ebenfalls gefordert worden waren. Die Kommission werde nun genau beobachten, ob diese Gesetze auch angewendet werden. Der Verhandlungsrahmen ist in 35 einzelne Politikbereiche gegliedert, die der Reihe nach abgearbeitet werden müssen.
Der europapolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Peter Hintz, sagte: »Ich fordere die Bundesregierung auf, auf eine Verankerung der Privilegierten Partnerschaft im Verhandlungsrahmen hinzuwirken. Die Bundesregierung würde ihr auslaufendes Mandat überstrapazieren, wenn sie den Mehrheitswunsch der Bevölkerung und die Position der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ignorieren würde.«
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Europäischen Parlaments, Elmar Brok (CDU), kritisierte, dass die EU-Kommission mit ihrem Beschluss ihre Pflicht nicht wahrnehme, die EU aus der Krise zu führen. »Ich hoffe, dass wenigstens ein Mitgliedsland die Notbremse zieht und den Vorschlag der Kommssion ablehnt,« betonte der Bielefelder Politiker.Seite 4: Kommentar

Artikel vom 30.06.2005