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»Dabei sein ist
nicht alles«

Sansar hofft auf gute DM-Platzierung

Von Jörg Manthey
Bielefeld (WB). Wenn es so kommt wie immer, dann steht Ahmed Sansar heute eine unruhige Nacht bevor. »Ich kann vor wichtigen Wettkämpfen nicht schlafen. Andere haben das Problem auch, aber bei mir ist das ganz extrem«, richtet sich der 25-Jährige auf lange Wachphasen ein. Der Mann vom TuS Eintracht wird wohl nicht optimal erholt sein, wenn er am Samstag Nachmittag gegen 16.30 Uhr bei den 105. deutschen Leichtathletik-Meisterschaften auf der Tartanbahn des Wattenscheider Lohrheidestadions auf den 5000 m-Startschuss wartet.

Dass er mit 14:07,91 Minuten die zweitschlechteste Meldezeit im 16-köpfigen Feld aufweist - Top-favorit auf den Titel ist der Wat-tenscheider Jan Fitschen - ficht Sansar nicht an. »Das Training in den letzten Wochen sah gut aus. Ich spüre noch Steigerungspotenzial in mir schlummern«.
Ahmed Sansar sitzt da auf seinem fragilen Plastikstühlchen wie in einem Adlerhorst. »Bei so einem Wettkampf ist dabei sein nicht alles. Es handelt sich schließlich nicht um Olympische Spiele, sondern um deutsche Meisterschaften«. Mindestens einen guten Mittelfeldplatz strebt Sansar an - und hofft insgeheim auf mehr. Seine bisherige Bestzeit aus dem Jahr 2004 steht bei 14:01,15 Minuten; das würde Rang sechs bedeuten. Vielleicht treibt ihn morgen der akustische Lattenzaun im Stadion gar zu einer Zeit von unterhalb der »Schallmauer«? »Nicht unmöglich«, meint er verschmitzt, und die dunklen Augen glühen vor Entschlossenheit..
Das Laufen ist momentan ein unaustauschbares Element im Leben des Ahmed Sansar, bietet es doch große Befriedigung als Ausgleich zum Ballast des Alltags. Laufen hilft ihm, sein Leben aus eigenen freien Stücken selbstverantwortlich zu gestalten. Besonders wertvoll in dieser gnadenlos harten Zeit, in der er sich (vergeblich) um eine Arbeitsstelle müht.
Und dabei erleidet Ahmed Sansar doch so ungern Niederlagen. »Ich bin ein fairer Verlierer, aber ein schlechter«, bekennt er. Früher, als er Fußball gespielt hat, war's gar noch schlimmer. »Wenn wir in der F- oder E-Jugend verloren haben, bin ich richtig krank geworden und habe ein paar Tage gebraucht, um mich wieder zu erholen. Das Verlieren hat mich richtig kaputt gemacht«.
Fußball ist die zweite Leidenschaft des Lippers, der in Detmold-Hiddesen in Sichtweite des Hermannsdenkmals wohnt. Sein Cousin ersten Grades, Furat Sansar, war an den SV Lippstadt ausgeliehen und spielt in der kommenden Serie wieder für Arminias Oberliga-Amateure. Ahmed Sansar kickte zuletzt in der A-Jugend des FC Stukenbrock unter Trainer »Semmel« Haasch, ehe er 1998 das Laufen für sich entdeckte und schon ein Jahr später bei den deutschen Jugendmeisterschaften in Duisburg Vierter über die 1500 Meter wurde.
Zum Jahresbeginn wechselte Sansar den Dress der LG Lemgo mit dem des TuS Eintracht (»Diesen Schritt habe ich nicht bereut, wenngleich ich mir mehr Sponsorenunterstützung erhofft hatte«) und hat seither schon drei Vereinsrekorde pulverisiert: Über die 1500 Meter (3:57:51 min), 5000 Meter (14:07,91 min) und 10 000 Meter (31:01 min) meißelte der Lipper sich in die Annalen ein.
Ein Mal im Jahr ist Ahmed Sansar hin- und hergerissen: Wenn am letzten Aprilwochenende Läufer-Heerscharen aus nah und fern den »Hermann« bewältigen, blickt er ein wenig traurig aus der Ferne auf den bunten Lindwurm. »Der Hermannslauf reizt mich jedes Mal. Ich würde wahrscheinlich ganz vorne mitlaufen. Aber ich muss vernünftig sein. Es würde ewig dauern, bis ich wieder Schnelligkeit in den Beinen habe«.

Artikel vom 01.07.2005