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Rat stellt einstimmig Weichen
für neue Entlastungsstraße

Zahlreiche Bürger der Gemeinde protestieren gegen geplante Trasse

Kirchlengern (os). Die Bürgerproteste liegen schon vor. Innerhalb weniger Tage wurden 118 Unterschriften gegen die neue Straße gesammelt, doch die Politik sieht keine andere Lösung, als die Planungen voranzutreiben.
Einstimmig, bei zwei Enthaltungen, erklärte der Rat zur Anbindung der Gewerbegebiete Kirchlengern-West und Bünde-Spradow an die B 239 die Variante 1.1c als Grundlage der weiteren Planungen (wir berichteten am Freitag). Das heißt nicht, dass die Straße so gebaut wird, wie sie Elke van Zadel und Conrad Vinken vom Ingenieurbüro Schnüll, Haller und Partner aus Hannover den Bürgern und Kommunalpolitikern vorstellten, doch so oder ähnlich wird sie wohl realisiert werden, daran ließen die Kommunalpolitiker keinen Zweifel.
Kein bebautes Grundstück wird zwar zerstört, versicherte Bürgermeister Rüdiger Meier den zahlreichen Bürgern erneut, die zur Ratssitzung gekommen waren, aber wohl eine wertvolle Naturlandschaft, wie Bürger beklagen, die Briefe an die Gemeinde geschrieben haben. Drei waren bis zum Dienstag eingegangen, zwei Einzelbriefe und ein Schreiben mit 118 Unterschriften. »Wir sind nicht einverstanden mit einer Schnellstraße in einem ökologisch wertvollen Landschaftsgebiet mit Biotopen«, heißt es dort. Zerstört werde das letzte Naherholungsgebiet in der Gemeinde. Gewarnt wird vor einer Versiegelung weiterer Flächen in Kirchlengern.
Es gebe keine optimale Lösung, um den Schwerverkehr aus dem Ortskern zu halten, gab Karl-Heinz Saße vom Planungsamt zu, es sei jedoch selbstverständlich, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung in Auftrag gegeben werde. Dann sei klar, welche Ausgleichsmaßnahmen zu treffen seien. Die sollen umfangreicher sein, als vom Gesetz vorgeschrieben.
Der Rat wies die Forderungen der Bürger mit seinem Beschluss zurück, will aber ihre Anregungen in die weiteren Planungen einfließen lassen.
Bürgermeister Rüdiger Meier warb um Verständnis. Es gehe ihm darum, gemeinsam Lösungen zu finden. Die verständliche Emotionalität müsse der Sachlichkeit weichen. »Wir dürfen nicht nur auf Kirchlengern sehen, sondern auf die Region.«
Nach Planungsausschuss und Bürgerversammlung wurden im Rat noch einmal alle untersuchten Varianten vorgestellt. Conrad Vinken, Projektleiter aus Hannover, machte deutlich, warum nur die jetzt favorisierte und inzwischen präzisierte Variante mit einer Unterführung der Lübbecker Straße in Frage komme, wolle man den Schwerlastverkehr aus Kirchlengerns Kern fernhalten. Der wird auf jeden Fall zunehmen, denn schon von Oktober an rollen die Lastwagen vom und zum Hochregallager der Firma Hettich im Gewerbegebiet Spradow. Es sei schon sehr ungewöhnlich, so der Planer, dass ein Gewerbegebiet direkt durch den Ortskern erschlossen werde. Diese Situation stelle sich demnächst in Kirchlengern.
Um das auf Dauer zu verhindern, will die Gemeinde ihre neue Planstraße bauen, an deren Kosten sich Bünde zu 50 Prozent beteiligt. Von der Nachbarstadt wird allerdings etwas mehr erwartet und zwar ein finanzielles »Entgegenkommen« zur Sanierung der Straßen, die zur Zeit und in den kommenden Monaten vom Schwerlastverkehr arg in Mitleidenschaft gezogen werden.
Rüdiger Meier betonte noch einmal, dass die Ratsentscheidung zwar eine Richtungsentscheidung sei, aber noch kein Beschluss über den Bau der Trasse vom Spradower Weg bis zur neuen B 239. Alle Fraktionsvorsitzenden und Heike Riefenstahl von der FDP sahen das genauso. Die Lösung sei kein Glücksfall für Kirchlengern, aber ein Glücksfall für Bünde, meinte Oliver Lüking, Fraktionsvorsitzender der SPD. Die neue Straße zerschneide den Ort Kirchlengern und zerstöre wertvolle Sieke. Doch nach langen Diskussionen sei er zur der Überzeugung gekommen, dass es leider keine bessere Lösung gebe. Ähnlich sah das auch Detlef Kaase von der CDU. Gar nichts zu tun, sei unmöglich, meinte er, lehnte es aber ab, von einem Glücksfall für Bünde zu sprechen. Verkehr mache nun mal nicht vor Gemeindegrenzen halt. Michael Schmale (UWG) verwies darauf, dass seine Partei schon im Wahlprogramm eine Tunnellösung gefordert habe.
Viele Fragen bleiben noch offen. Wie soll zum Beispiel die Anbindung an die neue B 239 aussehen, die nach jetzigen Einschätzungen schon bald an ihre Grenzen stoße? Fragen, die im Laufe der nächsten Jahre geklärt werden müssen, soll die Straße wirklich eine Entlastung bringen. Die prognostizierten wachsenden Verkehrsströme bis zum Jahr 2015 seien realistisch, denn sie beruhten auf einem standardisierten Verfahren, das schon seit langem im Einsatz sei. Kirchlengern sei kein Pilotprojekt, die Methoden hätten sich bewährt.
Die Verwaltung soll nun in den Sommermonaten die Planungen weiter voranbringen. Bis zur Realisierung werden mehrere Jahre vergehen.
Das Thema wird den Rat und die zuständigen Ausschüsse weiter beschäftigen. Auch die Proteste gegen die geplante Trasse werden wohl weiter gehen.
(Weitere Themen der Sitzung im hinteren Teil der Ausgabe).

Artikel vom 30.06.2005