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Die Dame entwickelte
sich zur stärksten Figur

Hamburger Ausstellung zeigt Geschichte des Schachs

Von Carolin Roterberg
Hamburg (dpa). Geistvoller Zeitvertreib, Inspiration für Herrscher und Symbol für die Gesellschaft: Schach ist nicht nur ein herausforderndes Brettspiel, sondern hat auch die Kunst- und Kulturgeschichte Europas und Asiens beeinflusst.

Unter dem Titel »Schachpartie - Durch Zeiten und Welten« zeigt das Museum für Kunst und Gewerbe bis zum 28. August die Geschichte des Schachspiels von seiner Entstehung um 500 nach Christus bis heute. Neben einer großen Zahl von Schachspielen aus Elfenbein, Metall, Holz und Porzellan sind auch Gemälde, Zeichnungen und Bücher zu sehen, die an der Entwicklung dieses Spiels ihren Anteil hatten.
Der genaue Ursprung des Schachspiels ist ungeklärt, aber vermutlich entstand es im indischen Kulturkreis. Der Legende nach sollen es später Gesandte aus Indien an den persischen Hof gebracht haben. Aus dem persischen Wort »shah« für den König leitet sich auch die Bezeichnung »Schach« ab. Im Vorderen Orient diente das Brettspiel nicht nur dem geistigen Zeitvertreib der Höflinge, sondern auch als Training für ein verbessertes strategisches Denken der Krieger. Später stellte das Schachspiel sogar einen Teil der Prinzenerziehung am persischen Hof dar.
Im Unterschied zu späteren Entwicklungen gab es in Persien keine konkreten Spielfiguren, sondern unterschiedlich geformte abstrakte Steine. »Der Koran verbietet eine figürliche Darstellung von Dingen, die in einer Moschee zu sehen sind«, erklärt Carlos Boerner, Mitorganisator der Ausstellung. Als die Araber im siebten Jahrhundert Spanien eroberten, brachten sie auch das Schachspiel erstmals nach Europa. Von der iberischen Halbinsel gelangte das Brettspiel an die anderen europäischen Höfe und war im Hochmittelalter im ganzen Abendland verbreitet. Schach gehörte zu den Lieblingsspielen des Adels, des Klerus und des aufkommenden Bürgertums.
Die mittelalterliche Gesellschaft spiegelte auch die Veränderungen des Brettspiels wider: Aus den abstrakten Formen entwickelten sich figürliche Spielsteine. Zum Beispiel veränderte sich die arabische Figur des »Wesirs« (bedeutet Minister des Herrschers) im europäischen Spiel zur »Dame«: »Zur Zeit der Minnesänger wurde die unerreichbare Angebetete so sehr idealisiert, dass sich als Folge die Dame zur mächtigsten Figur im Schachspiel entwickelte«, sagt Boerner. In der Barockepoche wurde das Schachspiel als Symbolik für menschliche Beziehungen verwendet: So symbolisierte das Brettspiel das Zusammenleben zwischen Mann und Frau.
Im 19. und 20. Jahrhundert entwickelte sich das Schachspiel immer mehr zu einer Sportart mit sehr hohen Leistungsanforderungen. Heute gehören Schachspieler meistens Vereinen an und messen sich auf Turnieren. Auch im Zeitalter von Computer und Internet ist das Brettspiel keine aussterbende Beschäftigung. Der Deutsche Schachverband hat mehr als 96000 Mitglieder.
www.mkg-hamburg.de

Artikel vom 29.06.2005