29.06.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Das kann nicht jeder: Schröder vertrauen - und sich enthalten

Noch viele Untentschiedene im rot-grünen Lager - Freitag entscheiden

Von Reinhard Brockmann
Berlin (WB). Viele Abgeordnete von Rot-Grün wissen noch nicht, wie sie am Freitag auf die Vertrauensfrage von Gerhard Schröder antworten sollen - so auch in OWL.

Bielefelds Bundestagsabgeordneter Rainer Wend (SPD) war gestern »noch nicht festgelegt«. Er sei noch »sehr im Zweifel« und werde erst am Freitag »eine sehr persönliche« Entscheidung treffen, sagte er dem WESTFALEN-BLATT. »Ich bin noch auf dem Weg und eher skeptisch, mich zu enthalten.« Er werde auf jeden Fall noch die Fraktionssitzung abwarten«, sagte er. Bis zur namentlichen Abstimmung will er sich nicht öffentlich äußern.
Ähnlich sieht das die Paderbornerin Ute Berg (SPD): »Am Freitagmorgen vor der Abstimmung im Bundestag wird der Kanzler in einer Fraktionssitzung seine Begründung für die Vertrauensfrage darstellen. Danach werde ich meine Entscheidung fällen.«
Auch Lothar Ibrügger (SPD) aus Minden bittet »um Nachsicht, wenn ich wegen der erst am 1. Juli bekannt werdenden Begründung des Bundeskanzlers im Deutschen Bundestag auch am Freitag erst eine Aussage darüber treffe, warum ich für Enthaltung oder Zustimmung votiere.«
»Ich enthalte mich«, sagt dagegen Karl-Hermann Haack (SPD), der sich als »Parteisoldat« sieht. Das Verfahren sei exakt der Weg, der zu Neuwahlen führe, begründet der Lipper seine Haltung und ergänzt: »Das ist demokratisch«.
Wolfgang Spanier (SPD) aus dem Kreis Herford hat seine Entscheidung gestern Nachmittag in der Fraktionssitzung getroffen. Er habe Schröder zweimal als Bundeskanzler gewählt. Um ihn auch ein drittes Mal wählen zu können, will er sich am Freitag der Stimme enthalten. Spanier möchte damit den Weg für Neuwahlen freimachen. Er fände es fatal, wenn es im September - aus welchem Grund auch immer - nicht zu Neuwahlen käme. Mit einer Enthaltung würden die Vorraussetzungen dafür geschaffen, dass der Bundespräsident seine Entscheidung treffen könne und der Wähler zum Zuge komme.
Klaus Brandner aus Gütersloh sagt: »Für mich ist das keine einfache Situation.« Er stehe zur Politik der rot-grünen Koalition, die er selbst an entscheidender Stelle mitgestaltet habe. Und: »Der Weg, den wir eingeschlagen haben, ist richtig. Das schließt jedoch nicht aus, dass wir eintretende Veränderungen aufgreifen und notwendige Anpassungen vornehmen müssen.« Die Bundesregierung und auch die SPD wollten eine neue Legitimation bei den Wählern für die Reformpolitik und für den Bundeskanzler. Die sei nur über Neuwahlen zu erreichen. Brandner: »Ich habe keinen Grund, dem Bundeskanzler mein Vertrauen zu entziehen. Der einzig gangbare Weg ist also, mich am kommenden Freitag bei der Abstimmung über die Vertrauensfrage der Stimme zu enthalten.«
Klar dagegen ist der Fall für die grüne Abgeordnete Jutta Dümpe-Krüger aus Lippe: »Momentan sehe ich überhaupt keinen Grund, warum ich dem Bundeskanzler das Vertrauen entziehen sollte«, meint sie. Auf die Frage nach Vor- und Nachteilen einer Misstrauenserklärung glaubt sie noch nicht antworten zu können: »Über das weitere Prozedere und den Inhalt der Erklärung bin ich noch nicht informiert, deshalb kann ich mich inhaltlich dazu auch noch nicht äußern.«
Die Grüne Staatssekretärin Simone Probst (Umwelt) hat sich noch nicht entschieden. Für sie hängt viel davon ab, wie der Bundeskanzler sein Vorgehen begründet. Schröder müsse auf jeden Fall einen verfassungsgemäßen Weg finden. Die Paderbornerin findet es »richtig, dass es Neuwahlen gibt«. Sollten die Minister mit Mandat geschlossen Enthaltung üben, wäre auch das für sie als Staatssekretärin noch nicht zwingend in dem Sinne, dass sie in der gleichen Pflicht stünde. Frau Probst sieht sich zugleich als einfache Abgeordnete, und die sollen »jeder für sich entscheiden.«
Die grüne Abgeordnete Michaele Hustedt, die Bielefeld in Berlin vertritt, ist gegen Enthaltung. »Das rot-grüne Projekt ist kein Unfall der Geschichte, sondern von den Inhalten, Zielen und Werten nach wie vor richtig und gut für diese Republik«, sagt sie und wünscht die Zustimmung aller Grünen. Für »Enthaltung« spricht aus ihrer Sicht: »Nichts, außer dass es unbedingt Neuwahlen geben muss« sagt sie und ergänzt: »Aber das wird so kommen.«

Artikel vom 29.06.2005