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»Könnte im Stellwerk
Stunden verbringen«

WESTFALEN-BLATT erfüllte Detlef Hunger einen Traum

Von Gerhard Hülsegge (Text)
und Bernhard Pierel (Foto)
Bielefeld (WB). »Ich interessiere mich seit meiner Kindheit für Eisenbahnen«, sagt Detlef Hunger. Das eigene Modell steht seit zehn Jahren im Keller. Zu gerne hätte der 54-Jährige auch einmal ein richtiges Stellwerk besichtigt.

»Da kommt man aber so einfach ja nicht rein«, weiß er. Im Rahmen der Aktion »Wünsche werden wahr« erfüllte das WESTFALEN-BLATT dem selbstständigen Industriekaufmann seinen Traum.
Treffpunkt: das Bundesbahn-Stellwerk am Bielefelder Hauptbahnhof (HBF). Rainer Pohl, Bezirksleiter Betrieb bei der Bahn AG, erwartet den verheirateten Vater von drei Kindern in Begleitung von WESTFALEN-BLATT-Werbeleiterin Katrin Lundström Und wartet gleich mit der ersten Überraschung auf: Das Schild »Zum Schutzraum« führt auch zu einem echten - Atombunker! Wer hätte das gedacht?
»Der stammt noch aus den Siebzigerjahren, der Zeit des Kalten Krieges«, erklärt Pohl. Reiche auch nur für zehn Personen. Wären Pershing II und SS 20 zwischen der westlichen und östlichen Welt, damals angeführt von den USA und der noch kommunistischen Sowjetunion, tatsächlich zum Einsatz gekommen, hätte sich ein Häuflein Bediensteter retten können. »Wir wussten aber nie, wer das sein sollte«, lächelt Pohl. Herford und Gütersloh seien ebenso ausgestattet.
»Kann man den Bunker nicht als Lagerraum nutzen?« fragt Hunger. »Nein«, lautet die Antwort, »er gehört schließlich dem Bundesamt für Zivilschutz«.
Der »Charme der Siebziger«, er ist fast überall spürbar. Auch im Raum der Fahrdienstleiter Ilse Wittler und Andreas Klar. Das Telefon mit Wählscheibe und Pantoffel ganzer Angestellten-Generationen zieren den Eingang. Dahinter wird's eklatant technisch. Kein Wunder: 575 Züge am Tag passieren täglich den Bielefelder Hauptbahnhof, wollen sicher und schnell über die vier vorhandenen Gleise geleitet werden.
Nein, »Gleiswechselbetrieb« gebe es nicht, erklärt Pohl. Dafür werde der Bahnhof Brake vom HBF ferngesteuert. Digitaltechnik? Das kostet nur Arbeitsplätze. Störungen sind ausschließlich Aufgabe der Signaltechniker. Ihr Raum bleibt verschlossen, »sonst wäre die Versuchung zu groß, sich selbst zu helfen«.
Früher waren vier Mitarbeiter im Stellwerk beschäftigt. Heute sind es nur noch zwei. Sie überwachen den Verkehr am Bildschirm, via Telefon und mit bester Sicht auf die Gleise. An der Wand gibt es den Bahnhof »en miniature«. »Wo ist die Tankstelle?« möchte der Gast wissen. »An Gleis 63«, gibt der Fachmann bereitwillig Auskunft. Dabei hat man das Gefühl, der Schleifmittel-Händler wäre selbst ein Leben lang bei der Bahn beschäftigt. »Meine Eltern hatten aber etwas anderes mit mir vor«, sagt Detlef Hunger fast entschuldigend. Dafür hat er schon als Kind viel Zeit auf dem Bahnhof verbracht, die Kohlen-Züge beim Rangieren beobachtet, alles auch fotografiert.
Tender, Teerklumpen, Lademaßüberschreitungen, Achseinzählung, Durchrutschweg - all' dies sind für den Mann vom Pfarracker keine »Böhmischen Dörfer«. Und das Gespräch zwischen Bahner und dem Hobby-Eisenbahner gerät mehr und mehr zur Fachsimpelei unter Experten. »Ich könnte hier Stunden verbringen«, freut sich Detlef Hunger am Ende. Und wird Ehefrau Annette sowie den Töchtern Julia (27), Martina (24) und Barbara (21) sicher viel zu erzählen haben. Von der weißen Udo-Lindenberg-Lok, der historischen Dampflok 41 und, und, und...

Artikel vom 30.06.2005