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Tsunami-Hilfe stärkt Europas Ansehen

Indonesier bestätigt Umdenken - Arabische Länder weniger hilfsbereit

Von Eitel Riefenstahl
Bielefeld (WB). Die schnelle und bedingungslose Hilfe der christlich geprägten Staaten Europas, der USA und Australiens nach der Tsunami-Katastrophe hat in Indonesien, dem größten islamischen Land der Erde, das Negativ-Image des Westens beseitigt.

Dieses Fazit zieht der indonesische Ex-Staatspräsident Prof. Bacharuddin Jusuf Habibie, seit kurzem Sonderbeauftragter der indonesischen Regierung für internationale Fragen und strategische Investitionen. Mit dieser Einschätzung beteiligt Habibie zurzeit in den USA am »Inter action council«, in dem sich ehemalige Regierungs- und Staatschefs regelmäßig austauschen.
Die weltweite Kritik an den reichen arabisch-islamischen Ländern wegen ihrer zögerlichen Unterstützung mit »nur zehn Prozent der Tsunami-Gesamthilfe« ist offenbar nicht ohne Folgen geblieben. So hat inzwischen die Arabische Entwicklungsbank in Saudi-Arabien dem regierungsunabhängigen Habibie-Center in Jakarta, das die Tsunamihilfen koordiniert, 443 Millionen US-Dollar zur Verfügung gestellt.
Der in einem christlichen, indonesischen Internat erzogene Muslim Habibie: »Die Tsunamie-Katastrophe hat in Indonesien den Glauben von Muslimen und Christen an einen gemeinsam Gott gestärkt!« Dann kommt der tatendurstige Ex-Staatschef, der in Deutschland Vorstandsmitglied des Messerschmitt-Bölkow-Blohm-Konzerns war, auf strategische Investitionen zu sprechen.
Laufende Verhandlungen zwischen der Deutschen Lufthansa und der indonesischen Luftfahrtgesellschaft Garuda möchte Habibie auf eine Kooperation für den Bau eines Mittelstreckenflugzeuges mit 50 Sitzen ausweiten. Basis könnte die vor Jahren in Indonesien entwickelte, als Prototyp schon getestete Turbopropmaschine N 250 sein.
Habibie sieht in der Kernkraft die Alternative zum Öl. Mit Kernkraft könnte sich in Indonesien der Kilowattpreis Strom von jetzt sieben Eurocent auf drei bis vier Eurocent reduzieren. Das sei für energieintensive, ausländische Investitionen interessant und könne das indonesische Wirtschaftswachstum von derzeit sechs Prozent weiter nach oben schrauben. Habibie denkt an vier Kernkraftwerke zu je 1000 Megawatt.
Angesprochen auf Meldungen, wonach erstmals seit der begrenzten Einführung des islamischen Schariarechts in der von Tsunami schwer betroffenen Unruheprovinz Aceh auf Sumatra Straftäter ausgepeitscht werden, reagiert der Ex-Präsident unwirsch: »Ein unhaltbares Zugeständnis an die Rebellen!« Nach seiner Meinung sind die in Schweden laufenden Friedensverhandlungen mit der Rebellengruppe GAM zum Scheitern verurteilt, wenn die GAM auf Gründung eines autonomen, islamistischen Staates auf Scharia-Rechtsbasis bestehen sollte.
Jede Vereinbarung dieses Inhaltes müsste vom indonesischen Verfassungsgericht kassiert werden. »Die indonesische Verfassung, die in meiner Regierungszeit vom Parlament verabschiedet wurde, lässt keinen Gottesstaat auf indonesischem Territorium zu!« Klare Worte des Mannes, der in Indonesien demokratische Strukturen einführte.

Artikel vom 06.07.2005