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»Die Form ist da, die Beine sind gut«

Vor dem Start zur Tour de France: Radprofi Jörg Ludewig im Gespräch

Steinhagen (WB). Samstag geht es wieder rund: 3607 Kilometer Schwerstarbeit warten bei der 92. Tour de France auf die Fahrer. Zum dritten Mal am Start ist Jörg Ludewig aus Steinhagen. Erstmals fährt er in den Farben seines neuen Arbeitgeber, des italienischen Reiseveranstalters Domina Vacanze. Vor dem gestrigen Abflug nach Paris sprach er mit WB-Redakteur Hans Peter Tipp.

Herr Ludewig, zum dritten Mal sind Sie beim härtesten und schwersten Radrennen der Welt dabei. Wissen Sie jetzt genau, worauf Sie sich einlassen?Jörg Ludewig: Leider, leider. Eigentlich ist es ja wirklich paradox, sich auf drei Wochen Stress und Qualen zu freuen. Aber es ist einfach immer mein Ziel gewesen, die Tour zu fahren. Und dieses Ziel kann ich mir jetzt schon zum dritten Mal erfüllen. Und da will und werde ich mein Bestes geben.

Lief die Vorbereitung in diesem Jahr glatt?Ludewig: Vom Papier her ist alles optimal. Auf die 'Deutsche' habe ich verzichtet, weil sie als Sprinterstrecke nicht meinem Anforderungsprofil entsprach. Statt dessen bin ich mit meiner Freundin nach Spanien gefahren, habe mir etwas Ruhe angetan. Dann war mir doch langweilig, und ich bin zwei kleinere Rennen gefahren. Das eine habe ich gewonnen, im anderen war ich Dritter. Die Form ist da, die Beine sind gut.

Und was macht das Selbstvertrauen?Ludewig: Wenn man vorher noch ein Radrennen gewinnt, sich im Spiegel anschaut und die Leute sagen: Junge, iss mal was, du siehst aber schlecht aus -Êdann sind das immer Zeichen bei uns Radfahrern, dass es gut voran geht. So gesehen bin ich richtig fit. Ich schwebe nicht auf Wolke sieben, aber ich gehe mit einem realistischen Selbstbewusstsein an den Start.

Sitzt der Traum vom Etappensieg noch mit auf dem Sattel?Ludewig: Dazu müssten schon Ostern und Weihnachten aufeinander fallen. Dafür müsste wirklich alles passen. Zu Hause am Fernseher da sieht man, wie irgendwann eine Ausreißergruppe fährt, was man aber nicht sieht, ist, wie sie sich bildet, dass vorher bis zu 80 Attacken laufen, ehe die Gruppe steht. Ich habe es bestimmt schon 35 Mal versucht, aber geklappt hat es nie - bislang.

Was haben Sie denn für diese Tour vorgenommen?Ludewig: Ich habe das schöne und das böse Gesicht der Tour in den beiden Vorjahren kennen gelernt. Das erste Jahr mit dem tollen Ritt nach L'Alpe d'Huez war wie im Rausch, vor einem Jahr hat mich nur der bloße Wille nach Paris gebracht. Ich kenne also das gute und das böse Gesicht der Tour. Jetzt will ich aus beiden Jahren das Beste mitnehmen und zumindest an einem Tag einen Knaller landen.

Sie fahren in einem neuen Team, für Domina Vacanze - auch mit größeren Freiheiten?Ludewig: Ich bin bei Domina Vacanze nicht auf die ausgesprochene Helferrolle festgelegt. Ich weiß, dass ich im Gesamtklassement nicht unter die ersten Zehn oder Zwanzig fahren kann. Außerhalb Ostwestfalens interessiert es auch niemanden, ob ich 21., 28. oder 64. werde. Mir wäre es lieber, wenn ich bei zwei, drei Etappen mit 100 Prozent Einsatz um den Tagessieg mitkämpfen könnte. Das würde mich viel weiter bringen, als mit einem halben Auge auf das Gesamtklassement zu gucken. Das ist auch nicht das Ziel Wir sind eine Mannschaft, und wir wollen einen Tagessieg oder einen Fahrer im Gesamtklassement unter den ersten Zehn haben. Da ist es nicht wichtig, ob ich meinem Platz von 2003 verbessere.

Artikel vom 30.06.2005