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Aufstand der Töchter

Venus und Serena befreien sich von Papa Williams

London (dpa). Der Williams-Clan sorgt in Wimbledon wieder für Aufregung: Nach dem frühen Aus der untrainiert wirkenden Serena hat Vater Richard Tacheles geredet und damit Widerspruch der gerade ins Halbfinale eingezogenen Tochter Venus provoziert.

Williams senior behauptete nicht zum ersten Mal, Tennis sei nicht mehr der Lebensmittelpunkt seiner bekanntesten Kinder.
»Sie haben verstanden, dass es noch viel mehr gibt«, sagte er. »Ich lasse sie immer wissen, das Tennis niemals die Nummer eins in ihrem Leben sein wird. Zuerst kommt Gott, dann die Familie, dann die Bildung, dann das Business, und fünftens muss man sich selbst gut fühlen. Wenn man das macht, hat man es geschafft.«
Venus widersprach ihrem Daddy, wenngleich die 25-Jährige Raum für Interpretationen ließ. »Tennis ist ganz weit oben«, sagte sie nach ihrem ersten Einzug in ein Grand-Slam-Halbfinale seit zwei Jahren. Als ein BBC-Reporter nachbohrte, verweigerte sie erst die Antwort und erklärte schließlich: »Ich liebe Tennis.« Nicht mehr erinnern konnte oder wollte sie sich an eine Geschichte, die ihr Vater erzählte. Einst habe er seine Töchter als Warnung zu einem früheren Tennis-Profi gebracht, der nun einen Hamburger-Stand betreibe. Zumindest Serena scheint nicht mehr so auf den Vater zu hören.
Das Interesse an Mode und Abstechern zur Schauspielerei, aber auch Verletzungen und vor allem mangelnder Trainingsfleiß führten dazu, dass sie in Wimbledon einen jämmerlichen Auftritt ablieferte. Immerhin gelobte die 23-Jährige Besserung.
Venus verzichtete nach dem Erfolg über Mary Pierce darauf, erneut ein Piraten-Kopftuch anzulegen und trug ihre langen, schwarzen Haare offen. Ihr Ansatz dürfte dem Papa mehr Freude bereiten: »Wenn ich morgens nicht zum Training gehe, werde ich nervös, weil ich weiß, dass ich ohne Training nicht gut spielen werde. Wenn ich mal nicht komme, ist mein Dad traurig.«
Morgen kann Venus gegen Titelverteidigerin Maria Scharapowa die Final-Niederlage von Serena vor zwölf Monaten rächen, als die vierjährige Williams-Siegesserie in Wimbledon riss. Serena habe nach der Knieoperation 2003 noch die Spielpraxis gefehlt, meinte Venus, die sich selbst vor zwei Jahren mit einer Bauchmuskelverletzung durch das Endspiel gegen ihre Schwester gequält hatte. Der Muskel schmerze noch immer, wenn sie zu viel spiele, sagte die auf Platz 16 abgerutschte frühere Weltranglisten-Erste. Ihr Selbstbewusstsein hat darunter nicht gelitten: »Wenn ich in Bestform spiele, bin ich den anderen immer noch einen Schritt voraus.«

Artikel vom 30.06.2005