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Kanzler wirbt in den USA um deutschen Sitz im Sicherheitsrat

Bush lehnt Wunsch nicht grundsätzlich ab - gegen Isolierung des Irans

Washington (dpa). Bundeskanzler Gerhard Schröder hat gestern an die USA appelliert, ihre Vorbehalte gegen eine deutliche Erweiterung des UN- Sicherheitsrats zu überdenken, in dem auch Deutschland einen ständigen Sitz anstrebt.

Die amerikanischen Sorgen seien unbegründet, dass ein auf 25 ständige oder nichtständige Mitglieder aufgestockter Sicherheitsrat nicht mehr handlungsfähig sei, sagte Schröder gestern vbei einem Treffen mit US-Präsident George W. Bush in Washington. Ausschlaggebend für die künftige Zusammensetzung des höchsten UN-Gremiums dürfte nicht die Größe, sondern eine ausgewogene regionale Vertretung sowie das Engagement der einzelnen Mitglieder sein.
»Wir sind bereit, noch stärker als bisher internationale Verantwortung zu übernehmen. Deshalb kandidiert Deutschland für einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat«, sagte er.
Die Vereinigten Staaten lehnen nach den Worten von Präsident George W. Bush einen ständigen Sitz Deutschlands im UN-Sicherheitsrat nicht grundsätzlich ab. »Nein, wir sind nicht gegen irgend ein Land«, sagte er nach dem Treffen mit Schröder. Er sei mit dem Kanzler einig, dass es eine Reform der Vereinten Nationen geben müsse. Dazu gehöre aber nicht nur die Neuordnung des Sicherheitsrates, sondern auch Änderungen in der Menschenrechtskommission sowie beim Management der Weltorganisation.
Schröder dankte Bush in der Pressekonferenz nach der Unterredung für die Klarstellung. Es gebe zwischen beiden Seiten möglicherweise Differenzen über das Tempo der Änderungen im Sicherheitsrat. Nach Angaben Schröders leitet Deutschland seine Forderung auf eine Vertretung im höchsten UN-Gremium auch daraus ab, dass man in Afghanistan und anderen Teilen der Welt stark engagiert sei.
Schröder sprach sich beim Treffen mit Bush zudem gegen eine Isolierung Irans als Reaktion auf den Ausgang der Präsidentschaftswahl aus. Er setze unverändert auf eine friedliche Lösung des Konflikts um das iranische Atomprogramm, sagte Schröder bei seinen Gesprächen in Washington. Daran habe sich auch durch den Sieg des religiös-konservativen künftigen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad nichts geändert.
Von der Führung in Teheran forderte der Bundeskanzler »überprüfbare Garantien« dafür, dass Iran keine Atombomben baue. Im Gegenzug seien Deutschland, Frankreich und Großbritannien bereit, ein »offensives Verhandlungsangebot« zu machen. Die drei Länder führen im Namen der EU die Gespräche mit Iran.
Schröder warnte davor, schon jetzt über mögliche Sanktionen nachzudenken. Unter Hinweis auf die weiter steigenden Ölpreise sagte er, andere Länder könnten durch solche Strafmaßnahmen stärker geschädigt werden als Iran selbst.
Bush bezeichnete alle Pläne der Führung in Teheran zur Entwicklung von Nuklearwaffen »inakzeptabel«. Er dankte Deutschland, Frankreich und Großbritannien ausdrücklich dafür, dass sie eine entsprechende »klare Botschaft an Iran« gerichtet haben. Die jüngsten Präsidentschaftswahlen bezeichnete Bush als »nicht fair«. Schröder wies darauf hin, dass der künftige iranische Staatspräsident, Mahmud Ahmadinedschad, eine Fortsetzung der Verhandlungen über die Nuklearfrage angekündigt habe. Er gebe deshalb davon aus, dass sie auch stattfinden werden.
In einer Rede zum Abschluss seiner Gespräche in den USA forderte Schröder vor der Handelskammer in Washington internationale Mindeststandards für Hedge-Fonds. Es gehe ihm dabei um eine deutlich verbesserte Transparenz dieser meist kurzfristig agierenden Finanzgesellschaften, wie sie in den Vereinigten Staaten zum teil bereits gang und gäbe seien. Auf dem G8-Gipfel der führenden Wirtschaftsnationen vom 6. bis 8. Juli in Schottland werde er sich auch für eine größere Durchschaubarkeit bei den Ölpreisen sowie für eine strengere Einhaltung der Regeln zum Schutz des geistigen Eigentums einsetzen, kündigte Schröder an.
Mit dem Hinweis auf eine verbesserte Wettbewerbsfähigkeit warb der Kanzler bei US-Unternehmen um verstärkte Investitionen in Deutschland. Mit der Agenda 2010 seien dafür bessere Bedingungen geschaffen worden, sagte Schröder.

Artikel vom 28.06.2005