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Platz nehmen im Führerhaus

Matthias Kunze leitet Bielefelder Spedition in der dritten Generation

Von Bernhard Hertlein
Bielefeld (WB). Die vier Jahre in Dresden waren sein Meisterstück: Matthias Kunze (36) hat von 1996 bis 1999 den Umsatz in der sächsischen Niederlassung der Bielefelder Spedition Kunze von 400 000 auf 1,5 Millionen Euro fast vervierfacht.
WESTFALEN-BLATT-SerieFolge 11
Die eigentliche Ausbildung des neuen Chefs, der das Familienunternehmen seit kurzem in dritter Generation führt, begann viel früher. Schon als Schüler im Alter von elf oder zwölf Jahren begleitete er seinen Vater Dieter Kunze (heute 74) samstags und in den Ferien in die Firma. Er half im Lager, sortierte Belege, schleppte Aktenordner, kontrollierte und addierte Schecks. Ergänzt wurde die Vorbereitung durch die Gespräche zwischen Vater und Mutter am Mittagstisch.
Im Gegensatz zum jüngeren Bruder Sebastian, der sich in den vergangenen Jahren mit Loopline lieber eine eigene Internetfirma aufgebaut hat, stand bei Matthias Kunze nie in Frage, dass er einmal in das Führerhaus einsteigen und das Steuer des Familienunternehmens übernehmen werde. Zur Vorbereitung tat er das, wofür sich einst auch der Vater entschieden hatte: Er lernte den Beruf von der Pike auf als Speditionskaufmann bei Transit-Transport. Das Flensburger Unternehmen ist wie Kunze mittelständisch geprägt und wie Kunze ein »Vollsortimenter« mit überdies besonderen Erfahrungen beim Stückgut-Transport über die »nasse Grenze« -ĂŠalso das Meer.
Die Bielefelder galten von 1972 bis 2002 als Experten für den kombinierten Schiene-Straße-Verkehr. Schon davor waren die Zeiten sehr bewegt. 1927 in Heidenau bei Dresden gegründet, lag die Spedition nach dem Zweiten Weltkrieg auf dem Territorium der Sowjetischen Besatzungszone. Als die Familie enteignet wurde, war das für Vater Walter Kunze das Signal: Wir müssen hier weg.
In Bielefeld startete der Gründer 1953 wieder bei Null. Der Sachse tat sich in Ostwestfalen anfangs schwer. Auf dem Weg vom Fernfahrer zum Spediteur gründete Kunze Ende der fünfziger Jahre das erste Lager. Der Durchbruch kam jedoch mit der Schaffung eines zweiten Standortes in Karlsruhe. Dorthin zog es Armin Kunze. Die Nord-Süd-Verbindung, nach der politischen Wende 1990 ergänzt durch eine Filiale am Gründungsort in Dresden, bewährte sich. Heute erzielen die Nordbadener sogar einen höheren Umsatz als der Stammsitz Bielefeld. Seit Mitte der neunziger Jahre ist Kunze Mitglied bei Cargoline, einem Verbund inhabergeführter mittelständischer Speditionen.
»Es ist vernünftig, Transporte auf langer Strecke zu koppeln«, sagt Matthias Kunze. Eine Zeit lang, als die Bahn den Güterverkehr »im Nachtsprung« ausbaute, habe das prächtig funktioniert. Doch dann verteuerte sie das Angebot und verschlechterte die Bedingungen. Ergebnis: Kunzes Kunden spielten nicht mit. Inzwischen ist das Angebot in Bielefeld Geschichte.
Da Armin Kunze kinderlos blieb, lief alles auf Matthias Kunze als neuen Chef hinaus. Doch vom Beschluss bis zur Umsetzung ist für Unternehmer vom Schlag der Kunze-Brüder ein weiter Weg. Matthias, der nach der Ausbildung zum Speditionskaufmann in Bremen vier Semester Betriebswirtschaft studierte, hat dafür Verständnis: »Aus Rennpferden werden nicht von Heute auf Morgen Stallpferde.«
Also gründen Dieter und Armin Kunze einen Beirat, dem außer ihnen der Unternehmensberater Martin Wendlandt angehört. Dorthin ziehen sie sich langsam zurück. Inzwischen spüren die 370 Mitarbeiter der Unternehmensgruppe bereits, dass sich der Stil wandelt: »Ich kann nicht überall gleichzeitig sein«, räumt der neue Chef freimütig ein. Deshalb gibt er den Managern zwar Ziele vor, lässt ihnen bei der Suche nach dem Weg aber mehr freie Hand. Damit nichts aus dem Ruder läuft, führte er aber zugleich größere Quartalsberichte ein. In ihnen geben die Manager nicht nur Auskunft über Umsatz und Ertrag, sondern machen gleichzeitig Verbesserungsvorschläge zur Personal- und Kundenentwicklung.

Artikel vom 28.06.2005