09.07.2005
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Rolf Schmidt ist da Experte: Seit etwa 50 Jahren beschäftigt er sich mit Bienen. Früher hat er sich ihnen nur mit Gummistiefeln, dick vermummt und mit Imkerhut samt Netz genähert. Heute hält Schmidt 20 Bienenvölker und scheut sich nicht, sie Kindern zu zeigen. »Wir können es uns nicht mehr leisten, aggressive Bienen zu halten«, sagt er. Den Imkern fehle der Nachwuchs. Zudem reagieren einige Menschen panisch, wenn ihnen eine Biene zu nahe komme. Muss nicht sein.
Warum die Insekten heute »schön brav« sind, wie Schmidt sagt, können Bienenzüchter erklären: »Seit der Nachkriegszeit war Sanftmut (bei der Züchtung) ein wichtiges Auswahlkriterium«, sagt Ralph Büchler. Er ist der Leiter des Bieneninstitut Kirchhain (Oberhessen). Die Imker sollten sich ohne Schutzkleidung den Bienen nähern können. Zudem sei die Haltung sanfter Bienen auch in Wohngebieten möglich. Die Züchter beobachten die Völker, deren genetische Herkunft sie kennen, und vergeben Punktzahlen für Sanftmut. Dazu gehört das Verhalten der Bienen, wenn der Imker an den Honig will.
Gerade in dieser Situation sind die Insekten eigentlich auf Verteidigung aus. Denn früher hätten die Völker ihre Honig-Vorräte vor Bären und Dachsen schützen müssen. Bienen, die ruhig bleiben, bekommen hohe Punktzahlen und werden für die weitere Züchtung eingesetzt. Nicht immer kontrollieren können die Züchter jedoch Paarungen mit möglicherweise frei lebenden, nicht so freundlichen Artgenossen. »Aggression kann entstehen, wenn Bienen verschiedener Rassen sich mischen«, erklärt Büchler.
Dass eine Biene sanft ist, heißt aber nicht, dass sie nie sticht. Bei großer Hitze oder Gewitterstimmung sind Bienen »munterer«. Zudem haben die Tiere etwas gegen die Farbe braun, weil sie das - glaubt Imker Schmidt - mit Bären in Verbindung bringen. Verärgerte Bienen schlagen schneller mit ihren Flügeln und summen deshalb im Ton etwas höher. Imker greifen dann gerne zu etwas Rauch. Wie Schmidt vermutet, meinen die Insekten dann, der Bienenstock sei in Brand geraten. Sie saugen sich ihre Honigblase voll für eine Flucht und werden träge.
Sanfte Bienen sammeln im Übrigen ebenso fleißig Honig wie ihre aggressiven Artgenossen. Wenn doch eine Biene stechen will, raten die Experten, solltet ihr nicht wild um euch schlagen, sondern ruhig an einen dunkleren Ort - beispielsweise in den Schatten - gehen. Sticht die Biene zu, sollte der Stachel sofort herausgekratzt werden, damit das Gift nicht eindringen kann. Die Biene überlebt den Stich in eine menschliche Haut nicht. Sie reißt sich ihren Stachel, der einem Widerhaken ähnelt, bei der Flucht aus dem Körper und stirbt an den Verletzungen.
Artikel vom 09.07.2005