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Argentinien
und seine tollen
Trainer-Typen

Pekerman soll 2006 die WM gewinnen

Von Klaus Lükewille
Hannover (WB). Die Spitznamen, die ihnen das Fußball-Volk verpasste, tragen sie so stolz wie ein hohes Verdienstkreuz. »El Flaco« - der Dünne. »El Loco« - der Verrückte. César Luis Menotti (66) und Carlos Bilardo (65), zwei weltmeisterliche Trainer. Argentinischer Kicker-Adel.

In diesen erlauchten Kreis der Ball-Weisen möchte am Abend des 9. Juli 2006 auch ein gewisser José Nestor Pekerman (55) aufgenommen werden. Dann wird das Finale der Fußball-WM in Berlin abgepfiffen - und der Trainer soll Argentinien an diesem Tag zum dritten Titel-Triumph führen.
Ein weiter Weg. Aber die Richtung stimmt. Denn Pekerman schaffte mit seiner Truppe als erstes südamerikanisches Land bereits die WM-Qualifikation.
Ein glanzvolles 3:1 gegen Brasilien war die »Fahrkarte« nach Deutschland. Und hier sind seine Argentinier ja schon seit zwei Wochen auf Tournee. Beim Abschluss-Ball des Confederations Cups gibt es morgen in Frankfurt ein Wiedersehen mit den »alten Freunden« aus Brasilien.
Die Erwartungen in der Heimat an Pekerman sind klar. Und hoch. Zunächst muss der kleine Cup mitgebracht werden, 2006 soll es dann die große Trophäe sein. Drei WM-Titel hat der Coach, der früher als Taxifahrer arbeitete, ja schon auf dem Konto: 1995, 1997 und 2001 führte er Argentiniens Junioren zum Gipfel. Aber das zählt für einen wie Menotti natürlich noch lange nicht. »Wer ist Pekerman?« fragt er und spricht gern von einem »Jugendtrainer«, der im Kreise der »Erwachsenen« noch zu beweisen habe, ob er wirklich Weltmeister-Format hat.
Wie er, der Kettenraucher, in jenem heißen Sommer 1978. Damals gewann Menotti sein finales Heimspiel gegen die Niederlande nach Verlängerung mit 3:1. Die erste WM-Krönung für Argentinien, sie wurde natürlich besonders überschwänglich bejubelt. Und »El Flaco«, der Dünne, er machte sich noch schlanker und feierte verkleidet mit: »Die Fans sollten mich nicht erkennen. Ich wollte die ausgelassene Stimmung in der Stadt mit ihnen genießen.«
Er ist schon eine Marke, dieser Menotti. Wie sein Nachfolger Carlos Bilardo, der ihn nach der verspielten WM 1982 ablöste. Sie haben ihn nicht zu Unrecht »El Loco« genannt, den Verrückten.
Denn es war schon ein bisschen Gaga, wie Bilardo seine Spieler motivierte. Die holte er oft nachts aus dem Tiefschlaf und fragte sie nach dem Namen ihrer Gegner. Denn: »Die sollten immer an ihre Rivalen denken, sogar im Traum.«
Traumhaft war dann am 29. Juni 1986 der Feiertag in Mexiko. Im Azteken-Stadion gewann Argentinien mit dem überragenden Maradona gegen Deutschland (3:2) und den zweiten WM-Titel.
Bilardo, im Hauptberuf Gynäkologe, arbeitet inzwischen übrigens wieder als Arzt. Menotti betreut seit Januar Independiente Buenos Aires und gibt zurzeit beim Confed-Cup den TV-Experten. Übrigens, wie es sich für so total unterschiedliche Trainer-Typen gehört: Die Herren pflegen natürlich eine innige Feindschaft. Menotti mimt gern den Schöngeist. Bilardo gilt als der Praktiker. Und Pekerman? Der ist für die Weltmeister noch ein Lehrling.

Artikel vom 28.06.2005