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Die Rentner zahlen drauf

Nachhaltigkeitsfaktor erstmals angewendet - VdK rät zum Widerspruch

Von Reinhard Brockmann
Bielefeld (WB). Knapp 20 Millionen Rentner erhalten in den nächsten Tagen Post. Mit wohlgesetzten Worten wird erläutert, warum ihre Rente im Juli nicht steigt. Noch weniger klar wird, warum de facto weniger auf dem Konto ankommt.

Während die Nullrunde 2004 gesetzlich verordnet war, ist der diesjährige Aussetzer bei fortwährender Inflation vor allem auf die geringe Lohnentwicklung zurückzuführen. Von der Regierung Kohl eingeführt, von Kanzler Gerhard Schröder sofort wieder abgeschafft, dann doch beschlossen: 2005 wird der »Nachhaltigkeitsfaktor« erstmals angewendet.
Da die durchschnittlichen Bruttolöhne im Vorjahr gegenüber 2003 in den alten Ländern nur um 0,12 Prozent und in den neuen Ländern um 0,21 Prozent gestiegen sind, würde es bei strikter Anwendung dieser Faktoren sogar zu einer Verringerung der Bruttorenten kommen. Davor bewahrt eine spezielle Sicherungsklausel. Danach darf bei positiver Lohnentwicklung - und sei sie noch so gering - keine Senkung erfolgen.
Dennoch werden die Nettoauszahlungen an die Rentner sinken. Wie mehrfach berichtet, gilt vom 1. Juli 2005 an: Alle gesetzlich und privat Krankenversicherten zahlen einen zusätzlichen Beitragssatz von 0,45 Prozent auf ihr Einkommen. Rentner kostet das monatlich 5 Euro, Gesetzlich Versicherte im Durchschnitt 11 Euro und Privatversicherte 15,86 Euro.
Hintergrund ist das am 1. Oktober 2004 verabschiedete »Gesetz zur Anpassung der Finanzierung von Zahnersatz«. Arbeitnehmer und Rentner sollen vom 1. Juli an einen zusätzlichen Beitragssatz von 0,9 Prozent ihres beitragspflichtigen Einkommens zahlen.
Dieser Beitragsaufschlag soll mit 0,4 Prozent die Krankenkassenleistungen für Zahnersatz abdecken. Eine weitere Beitragssatzerhöhung von 0,5 Prozent, die ursprünglich für 2006 geplant war und die Finanzierung von Krankengeld abdecken sollte, kommt hinzu. Damit beteiligen sich die Arbeitgeber dann nicht mehr an der Finanzierung dieser Leistungen je zur Hälfte. Nicht betroffen sind mitversicherte Familienangehörige. Der zusätzliche Beitragssatz gilt nicht für Bezieher von Arbeitslosengeld II.
Im Gegenzug sind die Krankenkassen zwar gesetzlich verpflichtet, ihren allgemeinen Beitragssatz zum 1. Juli 2005 um 0,9 Prozentpunkte zu senken. Von dieser Absenkung profitieren neben den Versicherten auch Arbeitgeber und Rentenversicherungsträger zur Hälfte. Unter dem Strich bleibt deshalb dennoch für Rentner und Arbeitnehmer eine Mehrbelastung von 0,45 Prozent.
Experten vom Sozialverband VdK raten, formlos Widerspruch gegen den Bescheid einzulegen. Das ist auch ohne ausführliche Begründung möglich. Allerdings: Aufschiebende Wirkung hat ein Widerspruch nicht und die Sache kann viele Jahre dauern. »Gehen unsere Musterklagen gegen die faktische Rentenkürzung erfolgreich aus, profitieren die Betroffenen rückwirkend und in voller Höhe«, verspricht Sabine Kohls vom VdK.
Für den Widerspruch genügt ein einfacher Brief mit Unterschrift an den Rentenversicherer: Anschrift und Versichertennummer vom Bescheid abschreiben!

Artikel vom 27.06.2005