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Ungarn hat eine Menge zu bieten

Deutschland, das war's. Wenn der heimische Arbeitsmarkt keine Perspektive bietet, können andere Länder eine Option sein, sich und seine Vorstellungen zu verwirklichen. Es muss nicht gleich der Beruf fürs Leben sein - schon für Praktika und Projekte lohnt sich ein Blick über den nationalen Tellerrand. Welche Möglichkeiten sich deutschen Akademikern in Osteuropa bieten, hat Laura-Lena Förster in Budapest erfahren. Mit dem Carreer Service der Universität Münster bereiste sie die ungarische Hauptstadt.

Man fühlt sich willkommen. Man merkt: Hier sind Deutsche gern gesehene Gäste - und Arbeitskräfte. Es gibt eine Universität, die sich speziell an Studenten aus den westlichen Nachbarländern richtet (Näheres in der Rubrik »Fernweh«). Mehrere Zeitungen erscheinen auf Deutsch, und nur wenige Kilometer von Budapest entfernt pflegt in Solymár eine Minderheit die Tradition der Trachtenfeste und Volkstanzkreise. Abgesehen davon investiert kein Land so viel in Ungarn wie Deutschland.
So weit, so gut. Doch wer in Ungarn wirklich Fuß fassen möchte, dem nützen all diese heimatlich anmutenden Strukturen nichts. »Man muss die Landessprache beherrschen", sagt Dr. Brigitte Kaiser-Derenthal.
Und das ist durchaus leichter gesagt als getan. Höchstens Sprachwissenschaftler erkennen eine Ähnlichkeit des Ungarischen mit einer weiteren Sprache - dem Finnischen - was ja auch nicht gerade jeder spricht. Die Leiterin des Budapester Goethe-Instituts weiß nur einen Weg: »Am besten lernt man Ungarisch in einer Familie und durch das Leben mit ihr. Für die Grundlagen ist zuvor ein Sprachkursus in Deutschland ratsam.«
Dr. Brigitte Kaiser-Derenthal, die sich vor Ort für die Pflege der deutschen Sprache und internationalen kulturellen Zusammenarbeit einsetzt - so der weltweite Auftrag der Goethe-Institute -, kennt diese Bemühungen sonst nur aus umgekehrter Sicht. »Zahlreiche Ungarn erhoffen sich eine berufliche Chance, indem sie Deutsch lernen«, weiß sie zu berichten.
Apropos berufliche Chance: Wer sich in ihren aus 34 Festangestellten bestehenden Mitarbeiterkreis einreihen möchte, der muss sich beweisen. Zig Bewerbungen gehen täglich beim Goethe-Institut ein - sei es als Praktikant, als Trainee oder als Lehrer für Deutsch als Fremdsprache. Generell sind diejenigen im Vorteil, die sich neben ihrem Studium umgeschaut haben - sprich, die im Ausland waren, die Sprachen gelernt und die Praxiserfahrung gesammelt haben. »Es ist wichtiger, schon einmal ins Berufsleben geschnuppert, als ein schnelles Studium hingelegt zu haben«, sagt die Frau, die ihren eigenen akademischen Grad an der Universität in Münster erworben hat.
Nicht-studiert und trotzdem erfolgreich ist Jürgen Trump. Seit 27 Jahren arbeitet er beim Weltunternehmen Siemens, derzeit als kaufmännischer Direktor der Dependance in Budapest. Er weiß nur zu gut, wie schwierig es ist, direkt nach der Ausbildung im Ausland eine Stelle zu finden. »Wer sich langfristig in Ungarn oder sonst wo positionieren möchte, sollte erst einmal einige Jahre in der Heimat arbeiten«, empfiehlt der 47-Jährige. »Und der sollte nicht darauf warten, dass irgendwann schon jemand auf einen zukommt. Denn nur mit Mut, Eigeninitiative und Spaß an der Sache kommt man weiter - und an ein Praktikum bei Siemens.«

Artikel vom 05.07.2005