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Teuflisch gut: Faust und
die Frauen

Schweißtreibender Saisonabschluss

Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). Im Gedenken an Hanns Bisegger, den Gründer der gleichnamigen Stiftung zur Förderung des Musiklebens der Stadt Bielefeld, haben die Bielefelder Philharmoniker am Freitag und Sonntag die Konzertsaison beendet.

Unter dem Motto »Faust und die Frauen« stand große, für die Musiker schweißtreibende Sinfonik auf dem Programm, das die Mitwirkenden trotz tropischer Temperaturen in einnehmend makelloser Spiel- und Singkultur bewältigten (Eindrücke aus dem Freitagskonzert).
Sich des Fracks zu entledigen lag nahe. Einzig Orchesterchef Peter Kuhn genehmigte sich diese kleine Erleichterung nicht. Dabei hätte man es ihm insbesondere in der 70-minütigen Faust-Sinfonie von Franz Liszt gegönnt. Peter Kuhn ging sie straff, zügig und mit strukturgebendem Dirigat an. Zielgerichtet und dabei nicht minder gefühlvoll strebt Bielefelds GMD auf den Grandioso-Gipfel zu, lässt auf der Wegstrecke einzelne Faust-Themen charaktervoll-charismatisch ausspielen, kennt das Innehalten wie das zackige Vorpreschen.
Im Gretchen-Satz herrscht Beschaulichkeit. Zarte Liebesmusik, die in schönster kammermusikalischer Transparenz ihren Reiz entfaltete. Nach dem Motto »Weniger ist mehr« zeichnete eine gewisse Zurückhaltung in der Akzentuierung und Dynamik das Spiel der Philharmoniker aus -Êsehr passend zum Charakter des Mädchens, das in der musikalisch gefühlvollen Zeichnung eine schüchterne Komponente erhielt.
Mit offensichtlicher Lust am dämonischen Spiel beschwor Kuhn im dritten Satz den Geist Mephistos. Das Groteske, Bizarre wurde im präzisionskantigen, affektgeladenen Spiel gegenwärtig - teuflisch gut und daneben listig und frech.
Nach versöhnlichem, stimmungsvollen und bestens einstudiertem Schlusschor, bei dem sich die Männerchöre des Theaters, des Oratorienchores und des Musikvereins zu einem homogenen Klangkörper vereinten, würdigte ein restlos begeistertes Publikum eine grandiose Werkwiedergabe mit tosendem Beifall.
Bereits die leidenschaftliche Faust und Helene-Kantate im ersten Konzertteil, für die Lili Boulanger 1913 mit dem Prix de Rome ausgezeichnet wurde, vermochte zu beglücken. Kuhn erwies sich hier als Stimmungsmaler wie er auch wieder einmal sein Gespür für musikdramatische Steigerungen unter Beweis stellte. Daneben konnten die einzelnen Instrumentengruppen einmal mehr ihre Visitenkarte mit perfekter Spielkultur abgeben.
Bezwingend im Ausdruck auch die drei Solisten: Eine leidenschaftliche Silvia Hablowetz, die bei den zarten wie den kraftvollen Registern mit brillantem Mezzo-Ton bezauberte. Lyrisch und in der Mittellage am Schönsten sowie mit Gespür für den Fluss der französischen Spätromantik: Luca Martin. Und Vladimir Chmelo glänzte ausdrucksstark mit überlegenem und dämonisch gefärbtem Bariton.
Noch zweimal sind die Bielefelder Philharmoniker vor der Sommerpause zu erleben: Am Mittwoch, 29. Juni, 20 Uhr, spielt das Orchester Liszts Faust-Sinfonie in der Halle der Universität. Und am Sonntag, 3. Juli, gibt es ein Open-air-Konzert auf der Sparrenburg.

Artikel vom 27.06.2005