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Im Auftrag des
Egos unterwegs

Friedman liest in Bad Oeynhausen

Von Oliver Kreth
Bad Oeynhausen (WB). Auferstanden aus privaten Ruinen feiert Michel Friedman ein Comeback. Jetzt hat er seinen ersten Roman vorgelegt. Der Autor wird aus »Kaddisch vor Morgengrauen« im Rahmen der »Poetischen Quellen« am Sonntag (20 Uhr) in Bad Oeynhausen lesen.

Es ist eine nahezu unverhüllte Autobiografie des Sohnes polnischer Juden, Überlebende dank der Oskar-Schindler-Liste, die versuchten, sich im Nach-Nazi-Deutschland einzurichten. Der Monolog eines Vaters am Bett seines schlafenden Sohnes, von einem, der vor nicht allzulanger Zeit selbst Vater geworden ist.
Nun ist der Trend, mit Privatem die Öffentlichkeit zu belästigen, bei Schriftstellern schon immer in Mode gewesen. Richtig bitter ist allerdings die Umsetzung des Themas durch den Frankfurter Anwalt. Eine Woge von Sentimentalitäten überschwemmt den sicherlich nicht lange geneigten Leser: Es wird vor Freude geschrien, Augen leuchten auf, wenn geweint wird, dann bitterlich. Nach 154 Seiten, so es einem gelingt, sich durch dieses schlechte Buch zu quälen, kann man sich nur fragen: Warum tut er sich und uns das an?
Susanne Mayer (»Die Zeit«) fragt in ihrer Kurzkritik, ob man so ein Urteil in Deutschland überhaupt fällen dürfe. Aber sicher. Ein schlechtes Buch ist ein schlechtes Buch. Punkt.
Da muss man nicht wie »Welt« oder »Spiegel« jüdische Rezensenten bemühen: Ralph Giordano (»Nein, ein Roman ist 'Kaddisch vor Morgengrauen' nicht. Hier laufen keine kunstvoll geknüpften Handlungsfäden nebeneinander her, um sich an einem Punkt dramatisch zu vereinen und wieder zu trennen«) und Henryk M. Broder (»Friedman hat einen Roman geschrieben, der keiner ist«).
Noch erschreckender als die Qualität des Buches ist die Erkenntnis, dass Friedman weiter im Auftrag seines Egos unterwegs ist. Die Schamfrist nach überführtem und eingestandenem Kokainkonsums und Gebrauchs ukrainischer Prostituierter (inklusive Zahlung eines Strafgeldes von 17 400 Euro) währte nicht lange. Dem Vorwurf der Comeback-Beschleunigung mit Hilfe des »Romans«, die Filmrechte sind bereits verkauft, entgegnet der »Krawattenmann des Jahres 2000« auf bewährte Weise. Broders Kritik, sei »so unter der Gürtellinie, dass ich mich dazu nicht äußern will«.
Warum der moralische Verbal-Scharfrichter noch immer keine Fähigkeit zu wirklicher öffentlicher Selbstkritik, ausgenommen der tränennahen Entschuldigungspressekonferenz bei seiner Bärbel Schäfer, entwickelt hat, wird deshalb ein Rätsel bleiben. Kein Geheimnis ist allerdings mehr, das Michel Friedman auf jeden Fall eines geschafft hat: Er steht wieder da, wo er meint, am rechten Platz zu sein - im Rampenlicht.
Michel Friedman: Kaddisch vor Morgengrauen, Aufbau-Verlag, 17,90 Euro, ISBN: 3-351-03046-0.

Artikel vom 25.06.2005