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Pathologe ganz sicher: Manuel wurde erstickt

Landgericht: Angeklagte hat Borderline-Syndrom

Bielefeld (uko). Der kleine Manuel, dessen Schicksal das Schwurgericht derzeit klärt, ist erstickt worden. Das stellte am Freitag der Münsteraner Rechtsmediziner Dr. Bernd Karger klar. Sein Kollege Dr. Martin Reker erläuterte mit seinem Gutachten, dass die des Totschlags angeklagte Mutter Simone K. unter einem Boderline-Syndrom leide.

Mit den exzellenten Vorträgen der beiden Sachverständigen ging gestern die Beweisaufnahme in dem spektakulären Prozess um den bisher ungeklärten Tod des kleinen Jungen zu Ende. Manuel war am Abend des 24. August 2004 schon hirntot in die Klinderklinik Bethel eingeliefert worden. Der 22-monatige Junge starb zwei Tage später. Simone K. (23) hatte die Schuld an dem Vorfall stets bestritten.
Der Münsteraner Rechtsmediziner hatte zahlreiche Untersuchungen der Leiche durchgeführt, da es sich »um keinen Routinefall handelte«. Demnach scheide eine natürlich Ursache aus, sagte der Pathologe. Dass bei der Sektion der Leiche schließlich Speisereste gefunden worden seien, führte Karger kausal auf den Atemstillstand zurück. Das Erbrechen des Kindes sei nicht die Todesursache gewesen. Folgerung des Gerichtsmediziners: »Manuel ist erstickt worden.« Dafür sprächen auch punktuelle Blutungen, die die Leiche auswies.
Psychiater Dr. Martin Reker beleuchtete in seinem Gutachten zunächst die »elenden Familienverhältnisse«, in denen Simone K. gelebt hatte. In der Sippe, in der die Eltern »die Zügel in der Hand« hatten, habe ein »Atmosphäre latenter Gewalt geherrscht«. Prügel gab es mit einer Hundepeitsche, ein Bruder verübte Suizid mit dem Pflanzengift E 605 (»die übelste Art aus dem Leben zu scheiden), ein Bruder beging einen Mord. Nach Rekers Ansicht leidet K. eindeutig unter dem Borderline-Syndrom. Häufig habe sie sich Selbstverletzungen beigebracht, habe Reinigungsmittel getrunken. »Borderline-Patienten spielen mit dem Tod«, sagte Reker, »sie geraten in den Rausch, die Welt zu beherrschen.« Reker vermutete, die Geburt ihrer insgesamt drei Kinder hätten die Selbstverletzungen kompensiert. In ihren Nachwuchs, mit deren Versorgung sie überfordert gewesen sei, habe sie den Wunsch in eine bessere Zukunft projiziert. Nicht ausgeschlossen sei, dass Simone K., falls sie Manuel erstickt habe, nur eingeschränkt schuldfähig gewesen sei. Reker hielt eine Unterbringung der Frau in der Psychiatrie für angebracht.

Artikel vom 25.06.2005