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»Richtiges Signal an die Täter«

Graffiti-Bekämpfung: Neues Gesetz

Bielefeld (uko). Als »richtiges Signal an die Täter« haben Juristen ein neues Gesetz zur Graffiti-Bekämpfung bezeichnet. Allein die Formulierung lasse, so der Bielefelder Amtsrichter Christian Friehof, »viele Fragen offen«. Zumindest »der große Wurf« sei die neue Strafvorschrift noch nicht.

Die Schmierereien beschmutzen in der Bielefelder Innenstadt ganze Häuserzeilen. Besitzer und Eigentümer von Immobilien müssen sich seit Jahren mit illegalen farblichen Eingriffen - zumeist von Jugendlichen begangen - herumärgern. Problem aller Strafjuristen - im Umgang mit den Paragraphen 303 und 304 (Sachbeschädigung) des Strafgesetzbuches - ist bislang der Nachweis der »Substanzschädigung« der Fassaden gewesen. Nur der Nachweis eines dauerhaften Schadens führte demnach dazu, jemanden auch verurteilen zu können.
Wegen hoher Kosten indes scheute die Staatsanwaltschaft davor, zum Beweis einen Sachverständigen einzuschalten. Daher blieb es in den meisten Verfahren vor dem Amtsgericht Bielefeld beim Tatvorwurf, der Nachweis allerdings war nur selten zu führen.
Zweites Problem: Nicht jedes TAG ( Farbhandschrift der Graffiti-Schmierer) war einem Täter zuzuordnen. Eine Serie gleicher Zeichen rechtfertigt auch nicht zwingend eine Verurteilung serienmäßig begangenen Taten.
Ende vergangener Woche nun beschloss der Bundestag eine seit langem anstehende Nivellierung der Delikte der Sachbeschädigung. Im Strafgesetzbuch soll demnach stehen: »Ebenso wird bestraft, wer unbefugt das Erscheinungsbild einer fremden Sache nicht nur unerheblich und nicht nur vorübergehend verändert.« Im Bundesjustizministerium feierte man das Gesetz als »Erleichterung der Strafverfolgung«. Langwierige und kostspielige Gutachten seien entbehrlich, hoffte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries.
Die Realität sieht womöglich weniger blumig und sehr nüchtern aus. Die Formulierung »nicht unerheblich« sieht Christian Friehoff, als Jugendrichter häufig mit der Materie befasst, als auslegbar an. Dieser Passus sei ja noch zu beweisen. Eine »nicht nur vorübergehende« Veränderung eines Erscheinungsbildes hingegen bedürfe erneut einer konkreter Aussage. Nur wenn also angesichts einer über Nacht beschmierten Hauswand ein Hausbesitzer auf die Leiter steigt, um die Verunstaltung in mühevoller Putzarbeit zu beseitigen, lässt der neue Gesetztestext beweisen: Gelingt die Entfernung nicht oder nicht vollständig, so ist die »fremde Sache nicht nur unerheblich und nicht nur vorübergehend verändert«. Indes vermissen Bielefelder Juristen im Justizministerium klare Formulierungskunst bei der Neufassung von Gesetzen. »Man hätte den Paragraphen auch anders ergänzen können«, erwägt Friehoff. Etwa: »Wer nachts eine fremde Hauswand gegen den Willen des Eigentümers farblich verunstaltet . . .«
Ob das neue Gesetz überhaupt ratifiziert wird, bleibt sowieso fraglich. CDU/CSU hatten ohnehin eine massive Verschärfung gefordert. Sollte im Herbst eine christlich-liberale Regierung antreten, wäre die Zeit des bisherigen Sachbeschädigungs-Paragraphen eh abgelaufen.

Artikel vom 27.06.2005