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Jäger und Sammler hortete 650 Waffen

Vom Luftgewehr bis zum Raketenwerfer - Staatsanwalt sieht keine Verbindung zur Mafia

Von Christian Althoff
Steinhagen (WB). Das Waffenlager, das Polizisten in der vergangenen Woche in Steinhagen (Kreis Gütersloh) entdeckt haben, ist offenbar die größte Ansammlung von Schusswaffen, die bislang in Nordrhein-Westfalen bei einer Einzelperson sichergestellt worden ist. Wie Polizei und Staatsanwaltschaft gestern in Hagen berichteten, hätten sie bei Jäger Dieter R. 150 Gewehre sowie 500 Pistolen und Revolver gefunden.
Kriminaloberrat Joachim Brauneck (l.) und Erster Kriminalhauptkommissar Siegbert Vornholt aus Gütersloh zeigen zwei von 650 Schusswaffen, die sie in Steinhagen sichergestellt haben. Fotos: Althoff
Oberstaatsanwalt Johannes Daheim leitet die Ermittlungen.

Luftgewehre, Schreckschussrevolver, scharfe Pistolen und Jagdwaffen: Auf 25 Tischen hatten die Ermittler im Polizeipräsidium Hagen jene Waffen ausgelegt, die sie am 15. Juni im Haus von Dieter R. entdeckt hatten, einem Handwerker und passionierten Jäger. »30 Beamte waren notwendig, um die Waffen abzutransportieren«, sagte Erster Kriminal-Hauptkommissar Siegbert Vornholt aus Gütersloh. Neben den Schusswaffen hatten die Polizisten auch einen Raketenwerfer sowie 15 Kilogramm TNT, 2,5 Kilogramm gewerblichen Sprengstoff und ein Kilogramm Granatenschrott sichergestellt.
Dieter R. hatte ausgesagt, er sammele seit 30 Jahren Waffen und habe bis heute 250 000 Euro in sein Hobby gesteckt. Kriminaloberrat Joachim Brauneck erklärte, der Verdächtige habe die Erlaubnis, Waffen, Munition und Sprengstoff zu besitzen sowie die Jagd auszuüben. »Allerdings hat er es seit Jahren versäumt, seine Neuerwerbungen anzumelden, und auch die Aufbewahrung der Waffen war nicht vorschriftsmäßig.« Zudem habe er verbotene Gegenstände wie Schießkugelschreiber besessen. Kriminaldirektor Rüdiger Dohmann aus Hagen sagte, in den nächsten drei Wochen seien 20 Beamte allein damit beschäftigt, die Waffen des Steinhagener zu katalogisieren.
Der Waidmann aus dem Kreis Gütersloh war ins Fadenkreuz von Polizisten geraten, die einem illegalen Waffenhändler aus Hamm auf der Spur waren (WESTFALEN-BLATT vom 21. Juni). Die Staatsanwaltschaft Hagen hatte im April den Tipp erhalten, dass Peter W. (57) aus Hamm zusammen mit seiner Tochter Nicole (35) aus seinem Haus heraus scharfe Waffen verkaufen sollte. Noch während die Ermittlungen gegen Peter W. liefen, war dieser nach Neapel gefahren, wo er am 11. Juni von italienischen Polizisten festgenommen worden war. Oberstaatsanwalt Johannes Daheim: »Bei dem Mann, der wegen illegalen Waffenbesitzes vorbestraft ist, wurden zwölf Pistolen und Revolver sowie eine Maschinenpistole vom Typ Scorpio entdeckt.« In seinem Haus in Hamm fanden Polizisten 16 Gewehre, 43 Revolver und Pistolen sowie 20 000 Schuss Munition. Die italienische Justiz wirft dem Deutschen angeblich vor, er habe Waffengeschäfte mit der Mafia anbahnen wollen.
Nach der Festnahme in Neapel waren die Telefonkontakte von Peter W. überprüft worden. Dabei stießen die Polizisten auch auf die Nummer des Steinhageners und durchsuchten sein Haus. »Ich habe Waffen von dem Mann aus Hamm gekauft, aber nur erlaubnisfreie«, sagte Dieter R. dem WESTFALEN-BLATT. Er wisse, dass er mit seiner Sammelleidenschaft gegen Gesetze verstoßen habe, »aber mit der Mafia habe ich nichts zu tun!« Auch Oberstaatsanwalt Daheim erklärte, derzeit sei keine Verbindung zwischen dem Steinhagener und italienischen Verbrecherkreisen erkennbar. Wohl auch deshalb war der Haftbefehl gegen Dieter R. außer Vollzug gesetzt worden.
Gegen wieviele Tatverdächtige insgesamt ermittelt wird, wollte der Oberstaatsanwalt gestern nicht sagen. »Es sind aber mehr als fünf.« Man habe außer in Steinhagen und Hamm auch Wohnungen in Kamen, Gelsenkirchen und Verl durchsucht, aber keine Waffen entdeckt. In Verl (Kreis Gütersloh) leben drei enge Verwandte des in Italien festgenommenen Waffenhändlers. Ob auch ihre Wohnungen durchsucht worden sind, wollten Polizisten gestern nicht sagen.
Johannes Daheim: »Wir habe es hier mit organisierter Kriminalität zu tun. Es wird noch Monate dauern, bis wir das Knäuel entwirrt haben und über weitere Einzelheiten sprechen können.«

Artikel vom 24.06.2005