27.06.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Adriano - die Wucht des Weltmeisters

Schachmatt in zwei Zügen: Ein müder Champion bleibt gefährlich

Nürnberg (WB/fwk). Erst später, als die Partie abgepfiffen war und seine Mannschaft das Finale erreicht hatte, legte auch der Trainer ab. Zuvor konnten 32 Grad Carlos Alberto Parreira nicht dazu bewegen, seine Trainingsjacke auszuziehen. Als wenn das Spiel noch immer nicht heiß genug gewesen wäre.
Brasiliens Trainer probte wohl schon für die Weltmeisterschaft im kommenden Jahr: Cool bleiben, auch im Hexenkessel, das könnte auch für ihn zur Aufgabe werden beim Unternehmen Titelverteidigung. Alles jagt 2006 den Weltmeister, nicht nur eine ganze Reihe von deutschen Hotelbesitzern, die die Mannschaft gern in ihrem Haus unterbringen würden.
Hier haben sich die Gäste aus Südamerika noch nicht festgelegt - ganz im Gegensatz zur Rolle, die sie in zwölf Monaten auf dem Sportplatz spielen wollen. Sie sind da vollkommen sicher: Wer die WM-Trophäe will, muss die Gelb-Grün-Blauen aus dem Weg schaffen. Und verwegen klingt die Ankündigung von Bayern Münchens Mittelfeldspieler Zé Roberto nicht: »Wenn wir komplett sind, werden wir noch stärker sein.«
Cafu, Roberto Carlos, Ronaldo - das sind drei Namen, die für den Confed-Cup noch nicht einmal auf der Besetzungsliste stehen. Am wenigsten wurde in Nürnberg Real Madrids Star-Stürmer vermisst, weil ihn im Halbfinale gegen Deutschland Adriano außergewöhnlich gut vertreten hat. Der stämmige Stürmer von Inter Mailand ist buchstäblich eine Wucht wurde zum »Mann des Spiels«.
Nicht immer lag die Jury bei ihrer Auswahl richtig, dieses Mal konnte sie nichts falsch machen. Adriano hämmerte einen Freistoß ins Netz, holte einen Elfmeter heraus, den Ronaldinho verwandelte, und setzte seinem Auftritt eine Viertelstunde vor Schluss mit dem Siegtreffer schließlich die Krone auf. Doch der 23-Jährige mochte sich nach seinem 25. Länderspiel nicht selbst loben, sondern stellte lieber die Mannschaft heraus: »Wir haben eine ganz starke Teamleistung abgeliefert.«
Tatsächlich ist das nicht so einfach. Herausragende Solisten zu einem funktionierenden Ensemble zusammenfügen, ist immer wieder die Herausforderung, die sich der sportlichen Leitung der »Selecao« stellt. Parreira hat da seine Prinzipien. Bei ihm darf darf nur der Ball tanzen - nicht aber die Spieler aus der Reihe.
Die haben beim Confederations Cup ihre Visitenkarte schon in Köln, Leipzig, Hannover und Nürnberg hinterlassen und werden dies am Mittwoch im Finale auch noch in Frankfurt tun. Diese Mannschaft begeistert auch die deutschen Zuschauer, wenngleich die Schwere der Beine der Leichtigkeit des Spiels manchmal sogar bei Brasilianern in die Quere kommt. »Wir sind mit den Kräften am Ende«, räumte Zé Roberto ein, »es war eine schwere Saison. Im Endspiel werden wir aber versuchen, noch einmal alles zu geben.«
Das müssen sie, weil sie den Ernstfall Titelverteidigung testen und die Voraussetzungen in zwölf Monaten vermutlich genauso sein werden. Auch dann war die Saison lang und hart. Der Champion kann allerdings einen fixen Vorteil ausspielen, den der deutsche Trainer Jürgen Klinsmann schon vor dem Halbfinale erwähnte und nun besonders beim Siegtreffer bestätigt sah: »Denen genügen zwei Züge, schon bist du schachmatt.«

Artikel vom 27.06.2005